Bei Orangenaktionen eigene Wege gehen
Dass die Naturfreunde Wuppertal e.V. in ihrer zweiten Orangenaktion zehn Kisten Orangen (insgesamt 100 kg) ausgeteilt haben, ist der erfreulichste Teil dieser Nachricht. Erfreulich ist auch, dass es nach dem Scheitern des Versuchs, Orangen „ohne Gift und Sklaverei“ über den Schwelmer Weltladen zu beziehen, es rasch gelungen ist, einen anderen Partner für den Direktbezug zu finden. Der Hof Kotthausen lieferte die Orangen frei Naturfreundehaus zu einem etwas günstigeren Preis als in Schwelm. Er bezieht sie von einer Bio-Genossenschaft in Sybaris (Kalabrien) oder ersatzweise von einer Genossenschaft traditioneller Erzeuger in Sizilien.
Diese Erfahrung ist eine Anregung zum Nachdenken, zum Überdenken der bisherigen Verfahrensweisen. Die Orangenaktion „süß statt bitter“ ist ein guter Ansatzpunkt für Orangenaktionen. Aber wie die Doku „Europas dreckige Ernte“ zeigt, ist das Problem, auf das diese Aktion hinweist , weit verbreitet, und seine Bekämpfung erfordert einen breiteren Ansatz.
Die Dokumentation „Europas dreckige Ernte“ wird umrahmt von zwei Veröffentlichungen, die beide denselben Namen tragen: „Bittere Orangen“. Das Buch mit diesem Titel, das von Gilles Reckinger stammt, gibt die Entwicklung in Rosarno (Kalabrien) im Verlauf mehrere Jahre wieder. Der Bericht der Rosa-Luxemburg Stiftung mit diesem Namen wurde durch den Vertrag der EU mit Südafrika über die Lieferung von Zitrusfrüchten ausgelöst. Widerspruch gegen diesen Vertrag gab es aus Spanien, dem EU-Land mit der höchsten Orangenproduktion. In Spanien setzt auch die Dokumentation „Europas dreckige Ernte“ an, geht dann aber auch über zu den Verhältnissen in Kalabrien und auf Sizilien.
In Spanien geht es laut der Doku auch um deutsche Akteure: Lebensmittelketten wie Aldi, Lidl, Rewe und Edeka. Sie nutzen ihre Marktmacht dazu aus, die Preise der spanischen Produzenten zu drücken. Für kleinere landwirtschaftliche Betriebe ist das existenzbedrohend, größere können den Preisdruck, dem sie unterliegen, als Druck auf die Löhne weitergeben. Die Arbeitskräfte sind zum großen Teil afrikanische Migranten, die schlecht bezahlt werden, in Slums hausen, unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen arbeiten und nicht sozial abgesichert sind .Ähnliches hat Gilles Reckinger über Rosarno berichtet und berichtet auch die Doku für Kalabrien und Sizilien. Dort kommt allerdings noch der Einfluss der Mattia als Problem hinzu.
Angesichts des Preisdrucks ist es verständlich, dass Landwirte aus Südeuropa andere Absatzwege suchen und zum Direktexport greifen. Dieser Weg wurde auch in Rosarno gegangen. Zusammen mit fairen Arbeitsverhältnissen ist das Wirtschaften von SOS Rosarno als solidarisch zu betrachten. Und solidarische Ökonomie ist ein Leitbild, das von christlicher und von marxistischer Seite propagiert wird.
Wenn aber alle ausschließlich Rosarno helfen wollten, wäre dessen Wirtschaftskraft bald überfordert. Es wäre also empfehlenswert, dass es eine Art „Patenschaften“ für solidarisch arbeitende südeuropäische Betriebe oder Genossenschaften gäbe. Dafür werden Informationen der Konsumenten über den Anfang der Lieferkette benötigt. Da könnte das Lieferkettengesetz helfen. Angesichts der Missstände im südafrikanischen Orangenanbau hat die Studie der Rosa Luxemburg Stiftung die Bundesregierung zum Tätigwerden aufgrund des Lieferkettengesetztes aufgefordert. Eine genauere Überprüfung der Verhältnisse in Südeuropa wäre aber angesichts der Doku auch angebracht.
Nur Forderungen an die Regierungen zu stellen, führt meist nicht weit. Die zivilgesellschaftlichen Akteure sollten sich selbst auf die Suche machen und versuchen, verlässliche Kontakte zu knüpfen, damit innerhalb Europas systematisch ein Äquivalent zum globalen fairen Handel geschaffen wird. Auf diesen Weg haben sich die Naturfreunde jetzt begeben.
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