Milch und Honig

Die Genese des Romans von Heinz Küpper, einem der bedeutendsten Erzähler der alten Bundesrepublik, geborenem Euskirchener und begnadetem Lehrer

Eine großartige Arbeit, die Gabriele Rünger und Reinhold Weitz geleistet haben. Sie spüren dem 1963 bei Middelhauve veröffentlichten Roman „Milch und Honig“ nach und arbeiten am Nachlass des in Euskirchen geborenen und in Münstereifel am St.-Michael-Gymnasium tätig gewesenen begnadeten Deutsch- und Geschichtslehrers die 1950er-Jahre der Bonner Republik ab. Heinz Küpper, dessen Urne auf dem Friedhof seiner Heimatgemeinde Wißkirchen ruht, beschäftigte sich schon in den Studientagen mit dem Projekt eines „Fabrikromans“. Erstmalig wird „Zur Fabrik – Textfragment 1955“ in dem besprochenen Band in einer von Rünger besorgten lesbaren Form veröffentlicht. Es folgt der Wiederabdruck des 1965 von der Kritik stark beachteten – etwa im „Spiegel“ 6/1966 rezensierten – und mehrfach übersetzten Romans „Milch und Honig“, den man quasi kostenlos dazu bekommt.

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Küpper war in der Bundesrepublik und international mit seinem Erstlingswerk „Simplicius 45“ bekannt geworden, das mehrere Auflagen erlebte, darunter als Taschenbuch in der Fischer-Bücherei. Dem Rezensenten ist die Aussage des Autors noch nach Jahrzehnten im Gedächtnis, dass er, Küpper, sich einen anderen Titel gewünscht, aber vom Verlag gedrängt worden sei, der bewusst die Assoziation zu Grimmelshausens epochalem Werk hervorrufen wollte.

Rünger und Weitz, beide vom herausgebenden Geschichtsverein Euskirchen, stützen sich auf Materialien, die sie dem Nachlass Küpper, der sich im Archiv des Kreises Euskirchen befindet, entnehmen, darunter maßgeblich dem „Notizen“ genannten Tagebuch des Autors. Der Leser lernt dabei die Universität Bonn und speziell das Institut für geschichtliche Landeskunde kennen sowie einige Personen, die wichtige Ansprechpartner Küppers waren. Unter ihnen sticht Heinrich Böll hervor, zu dem nicht nur der Bonner Student, sondern auch der spätere Studienrat Beziehungen unterhielt.

Von Weitz stammt die „Leseanleitung“ zum Textfragment „Zur Fabrik“, das wie schon der „Simplicius“ deutlich autobiographische Züge trägt. Küpper lebte während seiner Bonner Studentenzeit im „Studentenbunker“ in Poppelsdorf für eine Miete von monatlich 15 DM. Seine Erfahrungen dort haben in dem großartigen, aus dem Nachlass von Armin Erlinghagen herausgegebenen Roman „Linker Nebenfluss der Nogat“ Niederschlag gefunden. An der Uni lernte er den jüdischen Emigranten Adolf Leschnitzer kennen, den wir, literarisch „verwurstet“, im Roman „Der Zaungast“ erleben, der interessante Eindrücke von der damaligen FU und über die DDR jener Jahre vermittelt.

Küpper litt – ähnlich wie Heinrich Böll – sein Lebtag an der katholischen Amtskirche. 1955 vertraute er seinem Tagebuch an: „Meine religiösen, will sagen, katholischen Restbestände sind wie ein in Asche versunkenes Pompeji – die Stadt, wie sie war, nur nicht mehr lebendig.“ Und fuhr fort: „Freilich habe ich mich entschlossen, im großen Ganzen mich an die vom Christentum herausgearbeitete Moral zu halten“ (zit. auf S. 74). Der Weg ist dünn und steinig: „Aus der Bahn des Katholizismus geschleudert, gerät man geradewegs in den Nihilismus“ (S. 81).

Aber unverrückbare Grundsätze besaß Küpper schon: Bestimmender Grundtenor seines Schaffens war ein kämpferischer Antifaschismus, den er mit Billigung des kreuzkatholischen und hochpopulären Direktors des Gymnasiums in Münstereifel (heute: Bad Münstereifel), August Guddorf, seinen Schülern mitgab, die sich heute noch dankbar daran erinnern.

Weitz und Rünger haben die Angewohnheit, Zitate Küppers in Überlänge zu verwenden, was dann zur Folge hat, dass zahlreiche Klammern mit Auslassungspunkten (…) den Lesefluss hemmen. Das ist sehr schade. Auch von den Fotos hätte man auf die eine oder andere Ablichtung der Tuchfabrik verzichten können; die ausufernden Herkunfts- und Fundstellenangaben gehören an das Ende eines Buchs. Zu bedauern ist auch der Verzicht auf ein Personenregister. Vom Fluch des Genderns: AStA zu Küppers bis hin zu des Rezensenten Zeiten war die Abkürzung von „Allgemeiner Studentenausschuss“ und nicht, wie es auf S. 13 heißt und darüber hinaus eines Bindestrichs ermangelnd, „Allgemeiner Studierenden Ausschuss“.

Aber desungeachtet: Irgendwann wird man sich wieder des Schriftstellers Heinz Küpper erinnern, auch wenn die ursprüngliche Heinz-Küpper-Brücke in Bad Münstereifel dem fatalen Ahr- und Erft-Hochwasser 2021 zum Opfer fiel, mittlerweile aber wiedererrichtet ist, und der Freundeskreis Heinz Küpper eine Wiederbelebung verdient hätte. Der Geschichtsverein Euskirchen gedenkt – und dafür ist die Veröffentlichung ein prächtiger Beweis – dankbar eines großen Literaten. So geht Heimatpflege.                                                 MATTHIAS DOHMEN

 

Heinz Küpper, Milch und Honig. Ein Roman entsteht, Weilerswist: Liebe 2022. Gleichzeitig Jahresschrift des Geschichtsvereins des Kreises Euskirchen e. V., 254 S., ISBN 978-3-948682-39-2, Euro 20,00, www.verlag-ralf-liebe.de.

 

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