Mit vollen Segeln unterwegs

Mit dem Segelboot und zwanzig Teenies fahren Marcel und Andreas auf Jugendfreizeit. Selten war diese Auszeit für Jugendliche so wichtig wie heute.

In unserer Sommerreihe „Unterwegs für andere“ stellen wir Menschen aus unserem Kirchenkreis vor, die sich in den Ferien engagieren. Zum Beispiel auf Freizeiten, die nach über zwei Jahren Pandemie für viele Jugendliche wichtiger denn je sind. Andreas Richter und Marcel Bauer (v.l.) von der Kirchengemeinde Cronenberg fahren mit dem Segelboot und zwanzig Teenies auf die Rügeninsel Ummanz.

Das kleine Motorsegelboot steht schon im Hof hinter der Reformierten Kirche in Cronenberg. Die ersten Taschen mit Knabbereien und Süßigkeiten, Spielen, Bällen und Wasserpistolen sind gepackt. Andreas Richter und Marcel Bauer sitzen im Jugendtrack des Gemeindehauses und überlegen, was sie für die Freizeit auf der Rügeninsel Ummanz keinesfalls vergessen dürfen.

„Ummanz ist ein echtes Surf- und Segelparadies, aber ziemlich einsam und die Internetverbindung ist schlecht“, erzählt Andreas, der schon letztes Jahr mit Jugendlichen dort war. „Wir sollten also viel dabeihaben, damit die Kids gut beschäftigt sind.“

Auch Wasserpistolen gehören zum Freizeitgepäck.

Marcel fährt zum ersten Mal mit. Gemeinsam mit fünf weiteren sogenannten Teamern und Jugendleiter Lars Dierich betreuen die beiden jungen Männer zwanzig Jugendliche im Alter zwischen 13 und 18 Jahren. Reichlich Erfahrung mit Kinder- und Jugendfreizeiten hat aber auch er. „Es macht richtig Spaß, zwei Wochen mit Jugendlichen unterwegs zu sein, aber Erholung ist das nicht.“

Gemeinschaft erleben, Spaß haben

Zu wenig Schlaf, viel Verantwortung und stets in Aktion oder im Gespräch: Andreas und Marcel engagieren sich schon seit ihrer Teeniezeit in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit und wissen ziemlich genau, was auf sie zukommt. Aber es gibt auch immer wieder Überraschungen. „Außerhalb von Schule und Familie verhalten sich die Kids oft anders“, erzählt Andreas. „Manche drehen total auf, andere sind viel ruhiger als ich zunächst vermutet hätte.“

Ihren Job sehen die beiden Teamer darin, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle wohl fühlen. Sie sollen sich außerhalb vom Leistungs- und Erwartungsdruck in Schule und Familie ausprobieren können. Neben vielen Sportangeboten wie Segeln, Surfen, Kajaken oder Joggen gibt es deshalb auch immer kreative Zeiten, in denen im Ferienhaus auf Ummanz gespielt, gebastelt oder draußen am Lagerfeuer gesungen wird. „Etwas Wettbewerb sollte sein, aber es ist wichtig, dass dabei jeder und jede auch ein Erfolgserlebnis hat. Vor allem aber geht es darum, sich als Teil einer Gruppe zu erleben“, erklärt Marcel.

Nachdenken über die Zukunft

Romantik pur: Das Segelboot der Gemeinde bei Sonnenuntergang 2021

Genau das ist nach über zwei Jahren Pandemie mit Homeschooling, Kontaktbeschränkung und Abstandsregeln besonders wichtig. In Studien betonen Forscher immer wieder, wie wichtig die Gemeinschaft mit Gleichaltrigen für die Entwicklung junger Menschen ist und die psychischen Folgen der Pandemie für die Kinder und Jugendlichen nicht unterschätzt werden dürfen.

Ich erlebe Jugendliche heute als ernsthaft, reflektiert und kritisch.

„Ich erlebe sie nicht im Krisenmodus“, meint Andreas. „Aber doch als sehr ernsthaft, reflektiert und kritisch. Sie machen sich viele Gedanken um die Zukunft dieser Erde und um ihre persönlichen Perspektiven in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt.“

Manche wüssten schon sehr genau, was sie später einmal beruflich machen wollten, ergänzt Marcel. Andere wollten die Berufswünsche der Eltern erfüllen. „Und fast alle reden deshalb davon, dass sie ein gutes Abitur machen müssen, damit das möglich ist.“

Auch Umwege führen zum Ziel

Und raus bist du? Auf der Freizeit werden andere Werte vermittelt – auch beim Spielen.

Dass sie selbst mehr wert sind als ihr Notendurchschnitt und es auch andere Wege in Studium und Job gibt als das Abitur an Gymnasium oder Gesamtschule, machen Marcel und Andreas gerne an ihrer eigenen Biografie deutlich

Marcel hat eine Förderschule besucht und arbeitet inzwischen als Inklusionsassistent, während Andreas nach einer Ausbildung und Fachabitur auf Lehramt studiert. Beide sind 30 Jahre alt und konnten auf Umwegen erreichen, was ihnen wichtig war. „Ich möchte den Jugendlichen aus meinem Leben etwas mitgeben“, betont Andreas. Das macht er in persönlichen Gesprächen, aber auch in den Kurzandachten, die es jeden Abend auf der Freizeit gibt. Diesmal stehen sie unter dem Motto „Want to be“ – Wer will ich sein in meinem Leben?

Marcel ist wichtig, dass er den Jugendlichen Selbstbewusstsein vermittelt, weil sie „genau richtig sind, wie Gott sie geschaffen hat“. Er treffe immer wieder Kinder und Jugendliche, die es schwer hätten im Leben, erzählt der Teamer. „Die Freizeit ist mein kleiner Beitrag, ihnen ein Zeitfenster zu geben, in denen es ihnen mal richtig gut geht.“

Text und Fotos: Sabine Damaschke

Jugendfreizeiten

Nachdem Jugendfreizeiten coronabedingt in den letzten zwei Jahren ausgefallen sind, bieten viele Kirchengemeinden in diesen Sommerferien wieder Fahrten an. Die Jugendfreizeit der evangelisch-reformierten Gemeinde Cronenberg findet vom 18. bis 31. Juli auf der Insel Ummanz statt. Die Insel liegt im westlichen Teil von Rügen und ist nur 20 Quadratkilometer groß. Sie gilt als Naturidyll, das besonders geeignet fürs Surfen, Segeln und Wandern ist.

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