Unterwegs für Ukrainerinnen

In der Kirchengemeinde Gemarke-Wupperfeld hat die Ukrainerin Julia eine neue Heimat gefunden. Marion und Jasmin Müller sind für sie und ihre Familie da.

Selten war die Sehnsucht nach Urlaub so groß wie in diesem Jahr. Doch nicht alle können verreisen. In unserer Sommerreihe „Unterwegs für andere“ stellen wir Menschen aus unserem Kirchenkreis vor, die sich gerade jetzt für diejenigen engagieren, die zuhause bleiben. Zwei von ihnen sind Marion und Jasmin Müller. Sie betreuen die Ukrainerin Julia.

Kickern, Billard spielen, basteln, Ausflüge machen: Im Schülercafé SCOT der Kirchengemeinde Gemarke-Wupperfeld ist in den Sommerferien immer etwas los. Julia und ihre kleine Tochter Leila stört das nicht. Im Gegenteil. Manchmal kommen sie einfach dazu. Leila spielt mit anderen Kindern und Julia setzt sich zu Jugendleiterin Marion Müller und ihrer ehrenamtlichen Mitarbeiterin Jasmin Müller in den Gemeindegarten hinter dem Schülercafé. Er grenzt direkt an ihre kleine Wohnung im Gemeindehaus, in der die Ukrainerin seit einigen Monaten wohnt.

Sie ist gemeinsam mit ihrer Freundin Julia, deren Tochter Sophie und ihrer Mutter Alla aus Wodjane bei Losowa in der Ukraine nach Wuppertal gekommen. Seit zwei Wochen lebt sie alleine mit ihrer Tochter in der Wohnung. „Meine Mutter ist zurück auf den Hof gefahren, wo meine Schwester mit ihrer Familie wohnt. Sie hatte starkes Heimweh“, berichtet Julia. Ihre Freundin ist wieder abgereist, weil die Schwiegermutter im Sterben liegt. „Aber ich bleibe“, sagt die 28-jährige Ukrainerin. „Ich möchte mir hier eine neue Zukunft aufbauen.“

Die Hürden der Sprache und Bürokratie

Was ist los im Schülercafé? Julia schaut aus einem Zimmer des Gemeindehauses.

Deutschland gefalle ihr sehr gut, betont Julia. „Aber alles ist sehr anders: die Architektur, die Mentalität der Menschen, das Essen.“ Ein bisschen Heimweh schwingt in ihren Worten mit, die sie auf Ukrainisch formuliert und per Smartphone übersetzen lässt. Die deutsche Sprache ist schwierig, und Julia hat gerade erst begonnen, sie zu lernen. Doch das ist nicht die einzige Hürde, die sie nehmen muss.

„Es gibt so viel mit den Behörden in Wuppertal zu klären“, erzählt Marion Müller. „Ständig müssen Anträge gestellt und Formulare ausgefüllt werden, für die dann irgendwelche Unterlagen nötig sind und wieder neue Termine abgemacht werden, um sie einzureichen.“

„Gut, dass wir hier ein so breites Netzwerk haben mit vielen Menschen, die helfen wollen.“

Egal, ob es um die Aufenthaltsgenehmigung, das eigene Konto, eine Wohnung oder einen Kitaplatz geht: Geduld ist gefragt. „Gut, dass wir hier ein so breites Netzwerk haben mit vielen Menschen, die helfen wollen.“

Direkt zur Grenze nach Kriegsausbruch

Marion Müllers Ehemann Holger, der das Schülercafé SCOT und die Kinder- und Jugendarbeit der Kirchengemeinde Gemarke-Wupperfeld leitet, fuhr direkt nach Ausbruch des Krieges mit dem Gemeindebulli zur polnisch-ukrainischen Grenze, um Hilfsgüter zu bringen und Frauen und Kinder aus dem Kriegsgebiet mit nach Deutschland zu nehmen.

Der Second-Hand-Laden ist Jasmins Aufgabe.

„Es war unglaublich beeindruckend, wie viele Menschen in der Nachbarschaft direkt Hygieneartikel, Kleidung oder Spielzeug bei uns abgegeben haben“, erinnert sich die 19-jährige Jasmin. Schnell wurden einige Zimmer im Gemeindehaus zur Wohnung umgestaltet, um Ukrainerinnen und ihre Kinder aufzunehmen. Das Elterncafé von SCOT ist zum Treffpunkt für die neuen ukrainischen Familien im Stadtteil geworden. Der Second-Hand-Laden mit Kinderkleidung und Spielzeug war plötzlich sehr gefragt. „Die Kinder standen mit großen Augen vor dem Spielzeugregal und haben sofort angefangen, mit Autos und Dinos zu spielen“, berichtet Jasmin, die den Laden ehrenamtlich betreut.

Eine große Verantwortung

Vor allem sie und Marion Müller sind es, die sich fast täglich um die Ukrainerinnen und ihre Kinder gekümmert haben. Einkaufen, Behördengänge, Arztbesuche und oftmals einfach nur mal nachschauen, ob alles in Ordnung ist: Es gab viel zu tun. „Manchmal hatte ich das Gefühl, noch fünf weitere Kinder zu haben“, ergänzt Marion Müller. „Es ist einfach eine große Verantwortung.“

Statement für die Ukraine: Marion Müller hat die Fahne mit der Friedenstaube aufgehängt

Julia und Leila kommen mittlerweile ganz gut alleine in Wuppertal klar. Doch ohne Hilfe geht es noch nicht. Zumal die sprachlichen Hürden hoch sind – und die digitalen Übersetzer nicht zuverlässig. „Ich habe länger gerätselt, was ein ‚Goldklumpen‘ sein soll, den sie kaufen wollten“, erzählt die 45-jährige Erzieherin. „Irgendwann stellte sich heraus: Sie meinten Chicken Nuggets.“

Auch mit den abgereisten Ukrainerinnen stehen Marion und Jasmin Müller weiter in Kontakt. Sie berichten immer wieder von Bombardierungen. „Es ist gut möglich, dass sie noch einmal zurück nach Wuppertal kommen“, sagt Jasmin. „Egal, wie sie sich entscheiden, für uns ist klar: Wir sind für sie da.“

Text und Fotos: Sabine Damaschke

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