Religionsunterricht unter Druck

Muslime, Christen, Konfessionslose: Schulen sind heute bunt. Wie der Religionsunterricht darauf reagieren sollte, war Thema eines Fachgesprächs des Schulreferates.

Hartmut Kress, Heike Lindner und Andreas Obermann (v.l.)

Muslime, Christen, Konfessionslose: Schulen sind heute bunt. Wie der Religionsunterricht darauf reagieren sollte, war Thema eines Fachgesprächs des Schulreferates.

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Warum Gott den Krieg in der Ukraine zulässt, ob Gebete helfen, wozu Fasten gut ist – Kinder haben viele Fragen zum Thema Religion, die auch schnell sehr persönlich werden können. „Müssen gute Menschen früh sterben? Ich bin nicht gut“ oder „Warum sitze ich im Rollstuhl und mein Freund nicht?“ Heike Lindner, Professorin für Religionspädagogik an der Universität Köln, kennt all diese Fragen, denen ihre Studierenden im Schulalltag begegnen. Als Lehrerin war sie jahrelang selbst damit konfrontiert.

„Kinder und Jugendliche stellen viele Sinn- und Lebensfragen. Sie sind auch heute noch an Religion interessiert“, so Heike Lindner. „Im konfessionellen Religionsunterricht bekommen sie Antworten. Sie lernen soziale Verantwortung und ökumenisches Denken und Handeln kennen.“

Fachunterricht in der Krise

Die Professorin ist eine entschiedene Befürworterin des konfessionellen Religionsunterrichts ist, der seit Jahren in der Diskussion steht. Denn die Schülerschaft wird stetig kleiner, die noch religiös gebunden ist. Außerdem fehlen zunehmend Lehrkräfte für den Fachunterricht in Religion. Der Anteil der römisch-katholischen und evangelischen Schüler:innen verringerte sich seit 2001 von 87 Prozent auf 57 Prozent. Gleichzeitig verdoppelte sich der Anteil der islamischen und konfessionsfreien Schüler:innen von 19 Prozent auf 36 Prozent.

Schulreferentin Beate Haude mit Professor Andreas Obermann

„Der Religionsunterricht ist unter Druck“, so Schulreferentin Beate Haude. „Inzwischen gibt es im Tal Schulen, die wegen der niedrigen Zahlen getaufter Kinder mit dem Religionsunterricht organisatorisch an ihre Grenzen kommen. Hinzu kommt, dass durch den besonders großen Mangel an katholischen Lehrkräften, die in der Regel in den konfessionell katholischen Grundschulen gebunden sind, den Gemeinschaftsgrundschulen Lehrerinnen fehlen. Das ist alles eine sehr schwierige Situation.“ Sie halte den Religionsunterricht aber für immens wichtig für die Bildung, betonte Beate Haude.

Dialogischer Religionsunterricht für alle

Neue Konzepte sind also dringend gefragt. Doch wie können sie aussehen? Im Fachgespräch in der Elberfelder CityKirche, zu der das Schulreferat jetzt eingeladen hatte, wurden drei unterschiedliche Modelle vorgestellt. Neben dem klaren Plädoyer von Heike Lindner für den konfessionell gebundenen Religionsunterricht gab der Bonner Professor Andreas Obermann Einblick in das Konzept eines „dialogischen Religionsunterrichts für alle“.

In Hamburg wird dieser bereits seit den neunziger Jahren angeboten. Dabei werden die Unterrichtsinhalte konfessionsübergreifend gestaltet und vermittelt. Dazu arbeiten die Kirchen mit muslimischen, alevitischen und jüdischen Vereinen und Gemeinden zusammen.

Religionskundlicher Ethikunterricht

Der emeritierte Bonner Professor Hartmut Kress sprach sich dagegen für einen „religionskundlichen Ethikunterricht“ aus, den die Kirchen gar nicht mehr gestalten. „Es ist an der Zeit, den Sonderstatus des Religionsunterrichts aufzuheben, der den Kirchen in Artikel 7 des Grundgesetzes zugesprochen wird“, betonte Kress. Religion solle als ein Kulturgut neben anderen verstanden werden und im Rahmen eines Ethikunterrichtes vorkommen. Das sei in vielen anderen europäischen Staaten längst üblich.

Der Wissenschaftler verwies auf Umfragen, nach denen über 40 Prozent der Deutschen für die Abschaffung des konfessionellen Religionsunterrichts plädieren. „Das heißt für mich aber nicht, dass Religion vom Lehrplan gestrichen wird. Die Inhalte sollten nur nicht mehr von den Kirchen bestimmt werden.“

Umgestalten statt Abschaffen

Professor Andreas Obermann sah das – wie viele der etwa 40 Teilnehmenden des Fachgesprächs – anders. „Der Staat braucht Kirchen und Religionsgemeinschaften für die Gestaltung der Inhalte. Es ist nur die Frage, wie man es hinbekommt, dass nicht eine Konfession ein Übergewicht erhält.“

Bettina Kubanek-Meis, Gesamtschule Wuppertal-Barmen

Umgestalten ja, aber nicht abschaffen. Bettina Kubanek-Meis, Rektorin der Gesamtschule Wuppertal-Barmen schilderte eindringlich, warum sie den Religionsunterricht in einer pluralistischen und zunehmend areligiösen Gesellschaft für besonders wichtig hält. „Dieses Fach ermöglicht den Kindern ein Verstehen der Welt und des Menschseins. Hier werden die großen existenziellen Fragen gestellt und gemeinsam nach Antworten gesucht. Es würde viel fehlen, wenn es den Religionsunterricht an unserer Schule nicht geben würde.“

Text und Fotos: Sabine Damaschke

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