Neues SPD-Führungsduo – Stabilität oder Fortsetzung des Personalkarussells?

"Schon wieder ein neuer (Co-)Vorsitzender bei der SPD?" mag sich manche(r) fragen. Doch was wie eine Fortsetzung des Chaos der jüngeren Vergangenheit aussieht, ist tatsächlich Ausdruck neuer Stabilität.

Seit heute ist es offiziell: Lars Klingbeil möchte neben Saskia Esken neuer Co-Vorsitzender der SPD werden. Auf Außenstehende mag das vordergründig wie eine Fortsetzung des Personalkarussells bei der Sozialdemokratie wirken. Doch bei genauerer Betrachtung ist es vielmehr Ausdruck einer neuen Stabilität.

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Es begang mit der Wahl des nun scheidenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Eskens zum ersten Vorsitzendenduo der SPD in ihrer langen Geschichte, im Winter des vorvergangenen Jahres. Zuvor hatte die Partei in zweifellos atemlosen Tempo eine(n) Vorsitzende(n) nach dem anderen verschlissen und schien von einem Tief in das nächste zu taumeln. In dieser Phase fasste die damalige Vorsitzende Andreas Nahles gemeinsam mit Generalsekretär Lars Klingbeil den Plan, etwas ganz Neues zu riskieren: Ein mehrmonatiges, offenes Bewerbungsverfahren zur Wahl eines neuen Vorsitzenden-Duos. Durch die Mitglieder, nicht die Parteigremien. Dieser basisdemokratische Schritt war der entscheidende erste Meilenstein zur Restabilisierung der SPD; was damals schon auf Parteimitglieder so wirkte, ist erst Recht im Nachhinein für Jede(n) sichtbar geworden.

Mit dem Gespann Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans setzte sich ein Duo durch, das gerade wegen seiner Verbindung der beiden Parteiflügel vom Start weg dazu angelegt war, die Partei wieder zu einigen – und setzte diese Chance mit Geduld und Beharrlichkeit auch tatsächlich um. Alles Spin, sagen Sie? Alles nachträgliche Rationalisierung von ganz großem Glück? Mitnichten.

Es waren Walter-Borjans und Esken, die nicht unbedingt zum Wohlgefallen Außenstehender, wohl aber sehr zum Gefallen der Parteibasis daran gingen, der SPD für die Bundestagswahl wieder Rückgrat zu verleihen. Ihr großer Coup kam dann ein knappes Jahr später: Im Schulterschluss eben mit Lars Klingbeil präsentierten sie der Partei einen Kanzlerkandidaten, auf den fast unweigerlich alles zugelaufen war: Olaf Scholz. Und so wie heute zumal in der bürgerlichen Presse oftmals geschrieben wird, Scholz sei die Partei, so sehr war diese Entscheidung eine echte Bewährungsprobe dafür, wie weit die Einigung der SPD zu diesem Zeitpunkt bereits vorangeschritten war. Würde der linke Flügel den ausgemachten Großkoalitionär Scholz mittragen? Käme es auf dem Nominierungsparteitag zur Revolte? Nein. Der linke Flügel murrte kurz. Und schwenkte dann voll auf die Linie ein, sich hinter einem tragfähigen, ‚kanzlerablen‘ Kandidaten zu versammeln.

In nur zwei Jahren hat die SPD daher geschafft, was die meisten Beobachter*innen nicht für möglich gehalten und nicht selten auch mit Häme überzogen hatten: wieder zur Ruhe zu kommen. Lars Klingbeil als Mittler zwischen den Flügeln und vor allem dem Vorsitzendenduo auf der einen und Olaf Scholz auf der anderen Seite hatte daran von Anfang an maßgeblichen Anteil. Und insofern ist seine Kandidatur und wahrscheinliche Wahl durch den Parteitag alles andere als Ausdruck für eine Fortsetzung des Chaos, sondern für eine neue Selbstgewissheit der ältesten Partei Deutschlands. Man mag das mögen oder nicht; aber anerkennen sollte man es.

Was das für Koalitionsgespräche zur Bildung einer Ampel bedeutet? Ihr Gelingen wird wahrscheinlicher. Denn je geschlossener die einzelnen möglichen Koalitionspartner agieren, desto belastbarer die Verhandlungsergebnisse.

 

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