14.08.2015

Ungeplante Lücke

Bei der Verteilung der Steuern muss Wuppertal ein Minus verkraften. Auch bei den Flüchtlingen haben sich die Kosten erhöht. Dennoch verbietet es sich gerade jetzt, darüber nachzudenken, ob es notwendig ist, dieses Geld in die Hand zu nehmen.

pressekonferenz rathaus 05082015Es wirkt zunächst fast wie ein politischer Trick, wenn ein Stadtkämmerer zwei Zahlen präsentiert – 23 Millionen und 15 Millionen – und sagt, die 23 Millionen kriege man schon irgendwie finanziert aber die 15 Millionen seien das große Problem. So geschehen am 5. August bei der Präsentation von neuen Haushaltszahlen im Wuppertaler Rathaus.

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23 Millionen Euro weniger als im bisherigen Plansatz erhält Wuppertal 2016 im Zuge des Gemeindefinanzierungsgesetzes durch das Land NRW. 15 Millionen mehr als geplant muss die Stadt für die wirtschaftliche Hilfe und Unterbringung von Flüchtlingen aufbringen. Die geringeren Landeszuwendungen kriege man schon irgendwie kompensiert, sagte Stadtkämmerer Dr. Johannes Slawig dazu beim Update seines Haushaltsplans. Schließlich seien gleichzeitig die Zinsen gesunken und die Steuereinnahmen der Stadt gestiegen. Doch die immer größeren Kosten für die Flüchtlinge seien die große Unbekannte in der Gleichung.

„Es ist ein düsterer Tag“, kommentierte Slawig und bezog sich dabei auf die Feststellung, dass man zuletzt alles dem Ziel „ausgeglichener Haushalt“ unterordnen wollte, und nun, nach aktuellem Stand, doch auch im Jahr 2017 mit einem satten Minus in der Haushaltsplanung dasteht. Man muss sich die Zahlen dahinter einmal genauer ansehen, um die Dramatik der Lage zu verstehen. Und tatsächlich relativiert sich dann die Situation.

Bei der Verteilung der Steuern, nach komplexer Steuergesetz-Formel, muss Wuppertal im kommenden Jahr gerade einmal ein Minus von 2,3 Prozent verkraften. Bei den Kosten für Flüchtlinge haben sich die Kosten innerhalb weniger Jahre dagegen mehr als verdoppelt. Weniger als 15 Millionen Euro waren es 2013. Mehr als 40 Millionen Euro sollen es im folgenden Jahr werden.

Es verbietet sich an dieser Stelle, auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, ob es notwendig ist, dieses Geld in die Hand zu nehmen. Die Bilder von Bürgerkriegsflüchtlingen, sei es in Syrien oder im Sudan, und immer neuen Bootskatastrophen auf dem Mittelmeer, sprechen eine eindeutige Sprache. Die Botschaft: Solidarität mit diesen Menschen ist schlicht und einfach eine Bürgerpflicht. In Europa, in Deutschland und auch in einer Kommune wie Wuppertal.

Es entbehrt also durchaus nicht einer gewissen tragischen Ironie, wenn ausgerechnet Wuppertal, das bisher besonders positiv im Umgang mit Flüchtlingen aufgefallen ist, nun genau für seine Integrationsbereitschaft „bestraft“ werden sollte. Während beispielsweise in Bayern viele Asylsuchende jahrelang in Heimen untergebracht werden, können in Wuppertal viele Flüchtlingsfamilien bereits bald in eine der vielen leerstehende Wohnungen ziehen; ganz nebenbei ein positiver Impuls für den darbenden Immobilienmarkt. Dabei lohnt es, daran zu erinnern, dass ein menschlicher Umgang mit Flüchtlingen nicht nur ein Gebot des Anstands sondern auch der Grundstein einer zukunftsfähigen Gemeinwesens ist.

Ein kurzer geschichtlicher Rückblick: Die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ist auch eine Geschichte der Einwanderung. Ohne die tatkräftige Unterstützung der Flüchtlinge aus Pommern und Schlesien hätte es in den 1950er Jahren kein Wirtschaftswunder gegeben, ohne die Arbeitsmigranten aus der Türkei, Italien und vielen anderen Ländern hätte die BRD in den 70er Jahren ihren Wohlstand niemals halten und ausbauen können. Und ohne die Nachfahren der mutigen Einwanderer von damals, wäre Deutschland heute um vieles ärmer: sei es in der Wirtschaft, in der Kultur, der Politik oder in der Fußballnationalmannschaft.

Auch Wuppertal hat immer von Einwanderung profitiert. Ohne den Zuzug zahlloser Arbeiter aus ärmlichen Landstrichen, hätten sich die Wupperstädte im 19. Jahrhundert niemals zur deutschen Boom- und Innovationsstadt entwickeln können. Und auch heute sind es vor allem Flüchtlinge, die dafür sorgen, dass sich die Einwohnerzahl der Stadt, entgegen jeder Bevölkerungsprognose, wieder positiv entwickelt.

Ohne Frage: Integration von Fremden bringt immer auch Herausforderungen mit sich. Und zurzeit bedeutet die Aufnahme von Flüchtlingen dazu: große finanzielle Belastungen. Wenn man die gelungene Aufnahme und Integration dieser Menschen allerdings von der Zukunft her denkt, bedeutet sie vor allem eines: Eine riesige Chance für die Stadt. Es bleibt also zu hoffen, dass es tatsächlich gelingt, wie nun von der Stadtverwaltung erhofft, neue überregionale Finanzierungsoptionen für die Flüchtlingshilfe zu entwickeln.

Dabei sollte man nicht vergessen: Sowohl die Aufnahme von Flüchtlingen als auch ein solider Haushaltsplan stehen für eine gesunde Zukunft der Stadt. Jeder Ansatz, beides gegeneinander auszuspielen, im OB-Wahlkampf und darüber hinaus, wäre deshalb fatal.

Text: David Fleschen, Saskia Stiefeling

Der Artikel ist in der neuen Ausgabe der talwaerts erschienen, Wuppertals Wochenzeitung. Den vollständigen Artikel lesen Sie in der neuen Ausgabe, die immer freitags erscheint. Überall, wo es Zeitschriften gibt und unter www.talwaerts-zeitung.de

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