‚Do it!‘: Ein Lächeln für Rose

Beim Projekt Do-it! der Diakonie Wuppertal übernehmen Ehrenamtliche die Vormundschaft für minderjährige Flüchtlinge.

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Astrid Aldenhoven

Beim Projekt Do-it! der Diakonie Wuppertal übernehmen Ehrenamtliche die Vormundschaft für minderjährige Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern in Deutschland leben. In Wuppertal stammen die meisten der Kinder und Jugendlichen aus afrikanischen Ländern oder aus Afghanistan. Auch Astrid Aldenhoven, Mutter von 2 Kindern, engagiert sich ehrenamtlich als Vormund. Aus einer Aufgabe ist für sie „eine Freundschaft“ geworden.

In einem Wuppertaler Krankenhaus, vor 3 Jahren. Rose*, eine junge Kamerunerin, muss dringend behandelt werden. Die damals 16-Jährige hat Traumatisches erlebt: Ihre alleinerziehende Mutter wurde in Kamerun ermordet. Dann die Flucht. Irgendwie schafft sie es nach Europa, später nach Deutschland. Als „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“, wie es im Amtsdeutsch heißt.

Zur selben Zeit erhält Astrid Aldenhoven einen Anruf von der Wuppertaler Diakonie. Eine Ehrenamtliche werde gesucht, die die Vormundschaft für Rose übernehmen könne. Dringend bräuchten Ärzte einen mündigen Ansprechpartner, damit wichtige Medikamente verabreicht werden könnten. Astrid Aldenhoven sagt sofort zu. Es ist das dritte Mal, dass die damals 47-Jährige ehrenamtlich eine Vormundschaft übernimmt.

Auf ihre Aufgabe wurde sie im Rahmen des Projekts „Do it!“ der Wuppertaler Diakonie vorbereitet. Es ist vor 7 Jahren als Modellprojekt in Deutschland gestartet. „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erhalten hierzulande oft nicht die Unterstützung, die sie brauchen“, sagt Katrin Löffelhardt, die das Projekt in Wuppertal koordiniert. „Wir möchten vorhandene Strukturen ergänzen.“ Der Bedarf ist groß. Denn jedes Jahr kommen 2.000 bis 3.000 minderjährige Flüchtlinge ohne ihre Eltern in Deutschland an. In Wuppertal sind es zwischen 70 und 80 Minderjährige jährlich. Viele stammen aus Afghanistan oder afrikanischen Ländern wie Eritrea, Guinea, Kamerun, Mali oder Somalia. Manche der Jugendlichen waren zuvor von Armut bedroht, andere wurden als Kindersoldaten missbraucht, ihnen drohten Zwangsverheiratung oder Genitalverstümmelung.

In der Regel sind die Jugendlichen sind zwischen 13 und 17 Jahren alt. Da sie noch unmündig sind und ohne Eltern in Deutschland ankommen, bestellen Familiegerichte für jeden von ihnen einen gesetzlichen Vormund, der die rechtliche Fürsorge anstelle der Eltern ausübt. In der Regel übernimmt das Jugendamt oder ein Verein die Vormundschaft. ?Mündel?, so heißen die Minderjährigen in der Fachsprache. „In Wuppertal ist beim Jugendamt ein Mitarbeiter für 50 Mündel zuständig“, erklärt Katrin Löffelhardt. „Da minderjährige Flüchtlinge aber besonders schutz- und hilfsbedürftig sind, brauchen sie neben der sozialpädagogischen Betreuung auch einen intensiven Austausch zu ihrem Vormund.“

Diakonie-Mitarbeiterin Kathrin Löffelhardt leitet das Projekt

Aus diesem Grund hat die Wuppertaler Diakonie ihr Projekt „Do it!“ ins Leben gerufen. In 7 Modulen werden ehrenamtliche Vormünder auf ihre Aufgabe vorbereitet. Was sind die Gründe für eine Flucht? Wie ist das Asyl- und Aufenthaltsrecht in Deutschland geregelt? Was sind Pflichten eines Vormunds? Diese und andere Fragen stehen auf dem Lehrplan. Rund 50 Vormünder haben sich ausbilden lassen und stehen derzeit für ihr Ehrenamt in Wuppertal zur Verfügung. Gut 2 Drittel von ihnen sind Frauen, und ebenso viele sind im berufsfähigen Alter, darunter Lehrer, Pfarrer, Rechtsanwälte oder Betriebswirte. „Aber nicht der Beruf ist entscheidend, sondern die Bereitschaft, sich für die Interessen der Mündel einzusetzen“, sagt Koordinatorin Katrin Löffelhardt.

Auch für Astrid Aldenhoven war das der Grund, sich zu engagieren. „Für mich ist das eine Möglichkeit, die Gesellschaft mitzuformen, in der wir leben.“ Sie selbst habe viel Gutes erfahren, sei dankbar dafür und wolle denjenigen helfen, „die Hilfe besonders dringend brauchen“, sagt die 50-jährige Sozialarbeiterin.

Beschäftigt mit „Überlebensfragen“
Heute treffen sie und Rose sich im Café Katzengold, ihrer Stammkneipe in Wuppertal. Rose hat in den vergangenen Tagen ihre letzten vorbereitenden Klausuren für das Abitur geschrieben. Es sei ganz gut gelaufen, erzählt sie. Ja, sie habe auch schon Pläne für die Zukunft und möchte bald Wirtschaftsinformatik studieren. „Rose ist unglaublich fleißig“, sagt Astrid Aldenhoven. „Sie hat eine tolle Entwicklung genommen, ist zu einer Persönlichkeit gereift.“

Zum ersten Mal trafen sich beide, als Rose vor 3 Jahren im Krankhaus lag. Sie sei damals „mit Überlebensfragen“ beschäftigt gewesen, erzählt Rose, die mittlerweile fließend Deutsch spricht. Sie wusste damals nicht, was die vielen Personen von ihr wollten. Ärzte, Pfleger, Mitarbeiter aus Behörden standen um sie herum ? und dann war da auch Astrid Aldenhoven. Sie lächelte Rose an. Was wollte sie? „Ich wusste nur, dass die Menschen hier nicht gefährlicher sein konnten als in Afrika.“ Sätze wie diese werfen ein Licht auf die Schatten der Vergangenheit.

In den vergangenen 3 Jahren hat Astrid Aldenhoven ihr Mündel unterstützt, ihr Mut zugesprochen. Und Rose erlebte, dass es Menschen gibt, die sich für sie einsetzen. Nach all dem, was sie während der Flucht erfahren hat, ist das bis heute für sie eine wohltuende Erfahrung. Immer wieder hat Rose aber auch mit rechtlichen Hürden zu kämpfen. Als sie 18 Jahre alt wurde und nach deutschem Recht volljährig war, sollte sie beispielsweise aus dem Mädchenwohnheim ausziehen, in dem sie wohnte ? im Sinne der „Verselbstständigung“, wie Behörden ihr mitteilten. „Ich wollte aber nicht vor dem Abitur in eine eigene Wohnung ziehen“, erzählt Rose. „Wir mussten gut formulierte Anträge stellen, um das zu verhindern“, fügt Astrid Aldenhoven an.

Aus einer Aufgabe wird eine Freundschaft
Noch immer wohnt Rose im Mädchenwohnheim und verbringt viel Zeit damit, für die Schule zu lernen. Für das bevorstehende lange Wochenende will sie sich aber eine Auszeit gönnen und ein Buch zu lesen: „Brick Lane“ von Monica Ali, eine ihrer Lieblingsautorinnen. Es handelt von einer Migrantenfamilie in England. Manches wird Rose wohl wieder an ihre eigene Familie erinnern ? und an ihre Mutter. „Ich möchte wissen, wo sie geblieben ist, und so gern Blumen an ihr Grab legen“, sagt sie leise.

Den Wunsch kann Astrid Aldenhoven ihr nicht erfüllen. Aber sie steht ihr bei. Denn auch das, weiß sie, gehört zur Vormundschaft ? jenseits der rein rechtlichen Fürsorge. Obwohl Rose schon 19 Jahre alt ist, besteht die Vormundschaft noch immer. Die junge Frau besitzt weiterhin nur die kamerunsche Staatsbürgerschaft und wird – laut dortigem Recht – erst mit 21 Jahren volljährig. „Anfangs war es eine Aufgabe, die ich wahrgenommen habe“, sagt Astrid Aldenhoven. „Jetzt ist eine Freundschaft daraus geworden.“

* Name geändert

text: thomas becker/ör-wj
aus: www.diakonie.de
fotos: thomas becker

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