Kommentar: Zukunft der ARGE – Gehe zurück auf Los?

Von Thomas Lenz: Außerhalb der Fachöffentlichkeit kaum wahrgenommen, deutet sich Anfang 2011 eine einschneidende Veränderung in der Betreuung von Langzeitarbeitslosen an. Die 2005 gegründeten ARGEn sollen wieder aufgelöst werden.

Zumindest nach offizieller Lesart der neuen Bundesregierung soll die Aufgabe zukünftig wieder in getrennter Trägerschaft wahrgenommen werden: die Bundesagentur für Arbeit erhält die Zuständigkeit für das Arbeitslosengeld II und die Integrationsleistungen, die Kommunen hingegen für die Kosten der Unterkunft und die psychosozialen Leistungen.  Hintergrund dieser Diskussion ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Dezember 2007. Das BVG hatte entschieden, dass es sich bei den Arbeitsgemeinschaften um eine mit dem Grundgesetz nicht vereinbare Mischverwaltung  handelt, und gefordert, bis zum 31.12.2010 eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen.

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Unübersichtliche Lage

Seitdem ist die Lage verworren und unübersichtlich. Die vorherige Bundesregierung ist mit allen Versuchen zu einer Entscheidung zu kommen, gescheitert. Während im Bundesarbeitsministerium (BMAS) an der Ausgestaltung der getrennten Trägerschaft gearbeitet wird, beschäftigen sich andere Teile –auch im BMAS – mit anderen Organisationsmodellen: von der Bundesauftragsverwaltung bis hin zu einer Ausweitung der Option – also der Aufgabenwahrnehmung durch die Kommune – sind alle Möglichkeiten in der Diskussion. Auch die Arbeits- und Sozialminister der Länder haben in ihrer Sitzung Anfang Dezember keine eindeutige Entscheidung getroffen.

Worum geht es?

Mit der zum 1.1.2005 in Kraft getretenen Reform wurden die Leistungsbereiche der Arbeitslosenhilfe (Bund) und der Sozialhilfe (Kommune) zusammengefasst und in der Regel durch eine Behörde, der ARGE, „aus einer Hand“ gewährt. Von den Kosten der Unterkunft, den Integrationsangeboten über die Regelleistungen bis hin zu den psychosozialen Leistungen konnten alle Angebote in der ARGE bewilligt werden. Bei allem Streit und auch berechtigter Kritik an einzelnen Bereichen dieser Reform überwiegt in Fachkreisen aber vom Grundsatz her die positive Auswirkung der Reform gerade für Langzeitarbeitslose, die erstmalig intensiv betreut werden konnten. So konnten in Wuppertal in den letzten Jahren jährlich ca. 25.000 Maßnahmeplätze in allen Bereichen zur Qualifizierung und Ausbildung zur Verfügung gestellt werden, ein Vielfaches von dem, was vorher möglich war. Auch die gezielte Hilfestellung bei psychosozialen Problemlagen, z.B. im Bereich der Hilfen für Sucht- und Drogenkranke oder der Schuldnerberatung wurde deutlich ausgebaut, bis hin zur Vermittlung  in Erwerbstätigkeit und Ausbildung von weit über 10.000 Menschen pro Jahr. Durch den sinnvollen Ausbau von Beschäftigungsprojekten (z. B. Stadionumbau, Nordbahntrasse, Junior Uni) wurden auch Impulse für die Stadtentwicklung gegeben und das immer in enger   Zusammenarbeit mit den örtlichen Akteuren.

Was droht ?

Durch die jetzt geplante getrennte Trägerschaft, die von allen Verbänden und Organisationen abgelehnt wird, werden die Erfolge der vergangenen Jahre wieder in Frage gestellt. Um nur einige Bereiche zu nennen:

 

Getrennte Trägerschaft bedeutet für Betroffene einen höheren Aufwand bei der Beantragung der Hilfen, da zwei Behörden für unterschiedliche Bereiche zuständig sind;
Die Stadt verliert die Zuständigkeit und so die Einflussmöglichkeit zur inhaltlichen Ausgestaltung bei der Betreuung eines nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung;
Der Aufwand zur Sicherstellung der Leistung erfordert einen deutlichen Ausbau der Personalkapazitäten in den Verwaltungen und das bei leeren Kassen;
Die inhaltliche Ausrichtung der Beschäftigungsförderung wird sich verändern, was sich besonders für Benachteiligte (z.B. Suchtkranke, psychisch. Kranke, Obdachlose) negativ auswirken wird;
Die soziale Infrastruktur für Langzeitarbeitslose, aufgebaut in enger Kooperation mit den örtlichen Trägern, wird im jetzigen Umfang kaum erhalten werden können;
Die Neuregelung verursacht einen enormen Umstellungsbedarf, der insbesondere in 2010 zu Lasten der Betreuung von Langzeitarbeitslosen geht;
Die geplante Neuregelung stößt bei vielen Verfassungsjuristen schon heute auf massive Bedenken. Eine weitere juristische Hängepartie droht;

 

Vor dem Hintergrund von ca. 45.000 Menschen in Wuppertal – bundesweit ca. 7 Mio. – die zurzeit in diesem System betreut werden, warnen alle Experten vor den gravierenden negativen Auswirkungen auf Städte und Gemeinden und insbesondere auf die Betroffenen selber. Zu hoffen ist, dass in Berlin die in der Zwischenzeit von allen fachlich relevanten Seiten geäußerten Bedenken Gehör finden, und vom Grundsatz her die heutige Organisationsform abgesichert wird.

Autor: Thomas Lenz, Geschäftsführer ARGE Wuppertal

www.arge-wuppertal.de

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Kommentare

  1. roswitha muyer sagt:

    Was kann getan werden? Wahrscheinlich wirds auch noch teuer?! Oder haben wir nicht andere Probleme? Als höchste Instanz ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sicher nicht in Frage zu stellen. Da ist die Kreativität der Rechtsexperten gefragt, um das Schlupfloch zu finden und aus der Nummer heraus zu kommen.

    Ich als das „Volk“ versteh dieses HÜHHOTT eh nicht. Da rennt ein Haufen Angestellter von hier, dann wird er wieder nach da gehetzt. Da schleppt ein Umzugsunternehmen die Bürosessel erst nach da und dann wieder nach dort. Nicht zu reden von den Aktenbergen die wahscheinlich aufgeteilt und neu verteilt werden müssen. Schilda und Kafka in einem und eine riesige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme dazu. Das nenne ich absurdes Theater.

    Nichts desto trotz: Alles was ich hier über die Projekte der Arge lese finde ich sehr überzeugend und wenn ich was zu sagen hätte, würde ich entscheiden: weiter machen!

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