Erste Veranstaltung des Bündnis Unsere Stadtwerke war ein voller Erfolg.

Über 100 Wuppertaler kamen zur Bürgerversammlung des Bündnis Unsere Stadtwerke am vergangenen Mittwochabend. Unser Nachbericht:

Am Mittwochabend beteiligten sich über 100 Wuppertaler an der Bürgerversammlung des Bündnis Unsere Stadtwerke im Rathaus Barmen zur Frage „Ist der Wuppertaler Nahverkehr in einer Sackgasse?“ Als nach zwei Stunden die Versammlung beendet wurde, war Vieles angesprochen, Vieles nur angerissen worden, aber eins wurde deutlich: Die Bürger wollen auch beim Thema Nahverkehr mitreden und gehört werden, sie wünschen Transparenz und Bürgerbeteiligung. Und: Die Bürger sind bereit über neue Wege in der Finanzierung des Nahverkehrs nachzudenken, der Vorschlag eines Solidarischen Bürgertickets erhielt großen Zuspruch.

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Als in Rom weißer Rauch über der Sixtinischen Kapelle aufstieg, kam die Debatte in Raum A 232 im Barmer Rathaus gerade erst richtig in Gang. Über 100 Bürger hatten sich auf Einladung des Bündnisses Unsere Stadtwerke hier eingefunden, um über die aktuellen Kürzungen im Nahverkehr und auch die Situation im ÖPNV generell zu diskutieren. Nach der Begrüßung durch das Bündnis übernahm Walter Schumacher aus Aachen die Moderation auf dem vielfältig besetzten Podium. Gerd-Peter Zielezinski, Aufsichtsrat der WSW und Stadtverordneter der Partei Die Linke, eröffnete die Podiumsrunde mit einer Erläuterung der Struktur der WSW und den Hintergründen ihrer Entstehung. Diese waren bis 2003 als AG vollständig im Besitz der Stadt. Damals wurden zum ersten Mal Teile an RWE verkauft. 2007 kam die nächste Umstrukturierung. Die WSW selbst wurden zur Holding mit Tochterunternehmen in den einzelnen Geschäftsbereichen: WSW Energie & Wasser AG, WSW mobil GmbH und Abfallwirtschaftsgesellschaft. 33 % der WSW Energie & Wasser AG, deren Gewinne die Verluste der Mobilitätssparte subventionieren, gehören seit 2007 der GDF Suez. Mit der Privatisierung unter dem Motto „Privat geht besser“ begannen die WSW mit der Auslagerung der Fahrer in die VSG – zu deutlich geringeren Löhnen. Eine Abwärtsspirale („Race to the bottom“) kam in Gang. Zielezinski forderte mehr Transparenz bei den Entscheidungen der WSW und mehr Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger.

Anschließend erläuterte ein Busfahrer, welche Auswirkung die Einsparungsziele bei ihm und seinen Fahrerkollegen bewirkt haben. Er berichtete von psychischem Druck, Schlafmangel, den Härten des Schichtsystems und der unterschiedlichen Entlohnung gleicher Arbeit. Besonders gravierend seien geteilte Schichten, bei denen die Fahrer mehrere Stunden Pausen irgendwo verbringen, wenn die Zeit nicht für einen Weg nach Hause reiche. Die Folgen spüren nicht nur die Fahrer, sondern auch die Kunden, wenn aufgrund des hohen Krankenstands Fahrten ausfallen müssen. Das Geld, so das Fazit des Busfahrers, sei wichtiger als der Mensch geworden. (Bitte beachten Sie auch unsere separate Stellungnahme zur Kritik der WSW an den Äußerungen des Busfahrers und unsere konkreten Fragen an WSW-Sprecher Holger Stephan.)

Ilse Köster, Vertreterin einer Bürgerinitiative vom Eckbusch gegen die dortigen Buslinienkürzungen, erläuterte eindrücklich, welche Auswirkungen die Kürzungen auf die Kunden haben. Am Eckbusch leben 4570 Einwohner, es gibt 620 Wohnungen, die altengerecht und barrierefrei sind. 10 RollstuhlfahrerInnen, und 30 Gehbehinderte mit Rollator sind dort zu Hause. Vor Ort gibt es keine Nahversorgung mehr, „für jedes Stück Butter“ müsse man in die Stadt fahren. Mit der Streichung der Linie CE 62 sei vor allem bei Rückfahrt zum Eckbusch in den Linien 613 und 603 nicht genügend Kapazität vorhanden, damit diese Personen sicher nach Hause zurückkehren könnten. Frau Köster bemängelte, dass die Bedürfnisse von Behinderten nicht im Nahverkehrsplan berücksichtigt werden und dass diese somit diskriminiert würden. Sie bedauerte, dass die Politik die Änderungsvorschläge der Bürgerinitiative ignoriert habe.

Als Vertreterin der WSW war Sabine Schnake, Verkehrsplanerin bei den Stadtwerken, der Einladung des Bündnisses gefolgt, Volker Klöpper, Teamleiter Nahverkehr, vertrat die Stadt Wuppertal, den Mehrheitseigner der WSW. Beide erklärten die Gründe für die am 24. März in Kraft tretenden Kürzungen im Angebot des Wuppertaler ÖPNV. Herr Klöpper führte aus, dass die Stadt von der EU-Gesetzgebung getrieben werde, so müssten die Stadtwerke wie ein privates Unternehmen geführt werden, was wiederum bedeute, dass man fortwährend Restrukturierungen durchführen müssen, um ökonomische Verbesserungen zu erzielen. Hierfür seien die Kürzungen im Nahverkehr nötig.

Sabine Schnake erklärte, dass das Linienangebot vor der Entscheidung genau überprüft worden sei, auch nach der Linienumstellung werde man die Auswirkungen beobachten. Im Vergleich zu anderen Städten sei das Angebot der WSW seht gut, das bestätige die hohe Anzahl von Abonnenten, die mit 80.000 einen Höchstwert im VRR (im Verhältnis zur Einwohnerzahl) erreiche. Die Kürzungen, die nun in Kraft träten, seien in anderen Städten „schon vor Jahren“ durchgeführt worden. Die Nahverkehrsplanung erfolge generell nah am Bedürfnis der Bürger. Außerdem führe man zweimal im Jahr ein Kundenforum durch, bei dem WSW-Kunden Anregungen und Kritik äußern könnten.

Josef Neumann, Sozialdemokrat und Mitglied des Landtags, kam als Sprecher für Inklusion der SPD-Landtagsfraktion zu Wort und warb für die Berücksichtigung der 2,7 Millionen Behinderten in NRW bei der Nahverkehrsplanung. Die Situation am Eckbusch sei mit vielen Orten in NRW vergleichbar. 160 Millionen Fahrten im ÖPNV gebe es jährlich von Menschen mit Behinderung in NRW, das Land fördere dies mit einem Landeszuschuss von 110 Millionen Euro.

Als letzter Vertreter des Podiums erläuterte Jan Niko Kirschbaum seine Idee einer alternativen Finanzierung des Nahverkehrs über ein solidarisches Bürgerticket nach dem Vorbild der belgischen Stadt Hasselt. Das Wuppertal Institut hat dieses Modell in einer Studie auch für Wuppertal empfohlen und geht davon aus, dass sich dieses Finanzierungsmodell bis 2030 bundesweit durchsetzen wird. Das Prinzip sei einfach – alle zahlen und alle können fahren. Wenn die Abgabe über die Grundsteuer B erfolge, werde jeder nur mit seiner persönlichen Leistungsfähigkeit belastet, da die Größe und Qualität der Wohnung dies wiederspiegele. Eine 50 km² Wohnung in Elberfeld würde beispielsweise mit 16 € im Monat belastet, eine 90 km² Wohnung mit 37 €.

Es folgte eine weitere Stunde und sie gehörte ganz den Bürgerinnen und Bürgern und die hatten einiges, was sie los werden wollten. Am begehrtesten bei den Fragenden waren die Vertreter von WSW und Stadt, die ihre Maßnahmen rechtfertigen mussten. Am Zweitwichtigsten war den BürgerInnen eine anständige Bezahlung und vernünftige Arbeitszeiten „ihrer Busfahrer“. Weitere Busfahrer aus dem Publikum bestätigten die eingangs erhoben Kritik an den Arbeitsbedingungen. Wenn auch manche Frage mehr ein Statement war, blieb die Atmosphäre im großen und ganzen fair und sachlich. Es wurde deutlich, dass die BürgerInnen in Wuppertal einiges zum Nahverkehr zu sagen haben und mitreden wollen. Transparenz und Bürgerbeteiligung werden auch hier dringend benötigt und gefordert. Und: die Bürger sind bereit über neue Wege der Finanzierung im Nahverkehr nachzudenken. Damit sind sie schon viel weiter als die Politik im Stadtrat.

Die Fragen und Bemerkungen der Bürgerinnen haben wir in unserem Blog dokumentiert.

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Kommentare

  1. petzi sagt:

    Grundsteuer B? Ihr habt sie wohl nicht mehr alle. ÖPNV Soli + Kfz Steuer Soli, damit die die mehr verdienen auch mehr bezahlen. Das ist die Lösung.

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