Naturschützer kritisiert Oberbürgermeister als „nicht zukunftsfähig“

In einem offenen Brief hat der Wuppertaler Naturschützer Jörg Liesendahl den Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal, Peter Jung, kritisiert. Anlass waren Äußerungen Jungs anlässlich der Grundsteinlegung für eine Firma, die sich im Gewerbegebiet "VohRang" auf dem ehemaligen Vohwinkeler Rangierbahnhof niederlassen wird.

Der Offene Brief Liesendahls im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Stadt Wuppertal, der vorzustehen Sie von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurden, gehört zu den größten Städten in Deutschland.

Eine Stadt dieser Größenordnung ist darauf angewiesen, dass über gewerbliche Aktivitäten, aber auch über die Zufriedenheit der hier ansässigen Steuerzahler Geld zusammenkommt, um das Gemeinwesen aufrecht zu erhalten.

Zugleich hat eine Stadt dieser Größe große Verantwortung zu tragen. Diese umfasst alle Fragen der Daseinsvorsorge für die Menschen in Wuppertal und darüber hinaus, darunter natürlich auch die von Natur und Umwelt.

Wuppertal hat in den letzten drei Jahrzehnten seine Bereitschaft gezeigt, global-ökologisch auch international Verantwortung zu übernehmen, ich erinnere hier nur an die Mitgliedschaft im Klimabündnis, die erfolgreiche Teilnahme am european energy award und an Wettbewerben der Deutschen Umwelthilfe.

Was dabei national selten und international leider nicht zur Kenntnis genommen wird (aus Ihrer Sicht sicherlich zum Glück für Wuppertal), ist die äußerst negative Wirkung, die die städtische Verwaltung seit geraumer Zeit auf die natürlichen Ressourcen ausübt.

Mit seltener Konsequenz wird die verantwortlich von Ihnen geleitete Stadtverwaltung immer wieder dabei „ertappt“, die nationalen und internationalen Gesetze zum Schutz der Natur in ihrer Wirkung zumindest bis zu ihren maximalen Deutungsmöglichkeiten zu minimieren.

Die ungute Konsequenz Ihrer Politik, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, macht sich dabei z. B. darin bemerkbar, dass Sie persönlich gerne bereit sind, Ihre offenbar nur geringe Lernbereitschaft in Sachen „Naturverständnis“ öffentlich darzulegen.

Ich erinnere an folgende Begebenheiten:

* In Ihren öffentlich propagierten Zielen der Stadtentwicklung erhielt der komplette Umweltbereich gerade einmal knapp 2 Seiten und wurde im Wesentlichen auf die Frage der Erholung in der Landschaft reduziert.

* Die (zunächst angeblich ja nur vorläufige) Schließung des Fuhlrott-Museums kommentierten Sie mit dem Hinweis, Wuppertal könne durchaus auch mit zwei Museen (Von-der-Heydt-Museum, Historisches Zentrum) auskommen. Zum Glück für die wertvollen Sammlungen wurden diese an in ihren jeweiligen Städten positiv bewertete Museen „verliehen“, wo sie hoffentlich der Wissenschaft und dem Umweltbewusstsein der dortigen BewohnerInnen zu Nutzen sein können.

* In Kungelei mit dem Land NRW waren Sie gerne bereit, den wertvollsten Lebensraum für Tiere und Pflanzen auf dem ehemaligen Standort-Übungsplatz Scharpenacken für den Neubau eines Jugendgefängnisses zu opfern, obwohl Sie erst wenige Jahre zuvor die Errichtung von Windkraftanlagen auf einer unmittelbar neben diesem Biotop liegenden Fläche aus „Gründen des Landschaftsschutzes“ mit verhindert hatten.

* Im Rahmen der Diskussionen um die artenschutzgerechte Umsetzung der Nordbahntrasse wurden Sie zitiert mit der Aussage, es gebe keine Tier- und Pflanzenart, die dieses Projekt verhindern könne.

* Bereits unmittelbar nach Ihren Amtsantritt nahmen Sie an einer öffentlichen Veranstaltung in Vohwinkel teil, anlässlich derer Sie zum Gewerbegebiet „VohRang“ auf dem ehemaligen Rangierbahnhof äußerten, dass dummerweise wegen der dort „in 12 Unterarten“ vorkommenden Zauneidechse ein Drittel des Geländes für den Arten- und Naturschutz erhalten werden müsse.

Viele weitere Beispiele könnten sicherlich angefügt werden!

Dass Sie die zuletzt genannte Aussage jetzt, Jahre später, in kaum abgewandelter Form, wiederholen, zeigt mir, dass Sie nicht lernwillig und auch nicht in der Lage sind, Ihrer Verantwortung für eine zukunftsfähige Stadt Wuppertal gerecht zu werden.

Zitat aus der Stadtteilausgabe Vohwinkel der Wuppertaler Rundschau vom 18. Juli 2012:

Leider mussten wir ein Drittel des Gewerbegebietes für den Naturschutz opfern. Mir persönlich sind die Wirtschaft und Arbeitsplätze wichtiger als die Zauneidechse, die überdies ein ziemlich hässliches Tier ist.

Was Ihre persönliche Auffassung von Schönheit ist, will ich nicht bewerten.

Es gibt aber auch in Wuppertal viele Menschen, die Naturschönheiten mehr abgewinnen können als einer Aufführung in den Häusern der Hochkultur.

Diesen Menschen zu zeigen, dass der Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal seine persönlichen Wertmaßstäbe über seine dem Wohl der Allgemeinheit verpflichteten Aufgaben stellt (dazu gehört die Umsetzung der Naturschutzgesetze), ist m. E. auch eine Ursache von Politikverdrossenheit, wie auch erste öffentliche Reaktionen zeigen.

Menschen, die mit der Wuppertaler „Umweltpolitik“, die Sie in weiten Teilen zu vertreten haben, unzufrieden sind, könnten sich veranlasst sehen, in das „naturnähere“ Stadtumland zu ziehen und künftig dort ihre Steuern zu zahlen.

Für die Stadt Wuppertal bedeutet diese Häufung entsprechender Aussagen über Jahre, dass der hiesige Oberbürgermeister in dieser Form nicht zukunftsfähig ist.

Keine guten Aussichten für die dringend erforderliche Neuausrichtung der städtischen Politik in den nächsten Jahren!

Ich habe allerdings die Hoffnung, dass auch an der Spitze der Stadt Wuppertal die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen besteht.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Liesendahl

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Kommentare

  1. Es sind übrigens nicht nur Naturschützer, und die Unfähigkeit beschränkt sich nicht auf die Zukunft.

  2. Es ist schon traurig, wie die Charakterzüge unserer schönen, alten Stadt nach und nach weggebügelt werden.

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