Jürgen Büssow im njuuz-Interview

Der Regierungspräsident lobte Wuppertal unlängst für den „Mut“, das Schauspielhaus zu schließen und machte sich damit nicht nur Freunde. In njuuz wirbt Büssow dafür, an die Regionale 2006 anzuknüpfen und das Städtedreieck zu einer „sexy Region“ zu machen. In Zeiten leerer Kassen sei ferner Bürgerengagement gefragt, um gefährdete Projekte zu erhalten. Junior-Uni und Nordbahntrasse zeigten, dass dieses Engagement in Wuppertal besonders ausgeprägt sei.

Jürgen Büssow, Leiter der Bezirksregierung Düsseldorf, übt die Finanzaufsicht über die klamme Stadt Wuppertal aus.Jürgen Büssow, Leiter der Bezirksregierung Düsseldorf, übt die Finanzaufsicht über die klamme Stadt Wuppertal aus.

njuuz: Herr Büssow, unlängst haben Sie in einem Interview Wuppertal und Solingen für ihre gemeinsame Feuerwehrleitstelle gelobt. Welches Potential sehen Sie noch bei der Kooperation der drei Bergischen Großstädte Wuppertal, Solingen und Remscheid? 

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Büssow: Das Potential ist erheblich. In vielen kommunalen Aufgabenbereichen lassen sich Kooperationen realisieren, die Geld sparen. Vieles wurde von den Städten aber auch bereits angestoßen. Zu nennen sind hier die bereits erwähnte Feuerwehrleitstelle und die bergische Volkshochschule, die bergische Entwicklungsgesellschaft Kompetenz hoch 3, auf die man sicherlich auch im Bereich der Wirtschaftsförderung und des Gewerbeflächenmanagements noch aufsatteln könnte, die Kooperationen im Forst- und Lebensmittelüberwachungsbereich und…und…und. Kooperationen sind übrigens nicht nur zwischen den drei bergischen Großstädten denkbar. Auch mit dem Ruhrgebiet oder im kreisangehörigen Umfeld, ob innerhalb oder außerhalb des Regierungsbezirks, sollten die Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausgelotet werden.

Ein Themenbereich, der mir in diesem Zusammenhang besonders am Herzen liegt, und den ich auch in meinen Haushaltsverfügungen immer wieder aufgreife, ist der Kulturbereich. Hier könnte ich mir z.B. eine Spartenlösung für das Bergische Land und Umgebung vorstellen, in der alle Kultursparten abgedeckt werden, aber nicht mehr in jeder einzelnen Stadt, sondern arbeitsteilig.

njuuz: Wie wünschenswert und realistisch ist für sie eine Fusion der drei Kommunen zu einer einzigen Bergischen Großstadt?

Büssow: Die Fusion der drei Städte ist als Metapher zu verstehen. Es geht um Arbeitsteilung, Kooperation und  darum die öffentliche Aufgabe kostengünstig wahrzunehmen. Viele der Einsparungen können durch Zusammenarbeit auf Grundlage des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit realisiert werden – insbesondere solche, von denen der Bürger überhaupt nichts merkt, etwa im Back-Office-Bereich. Ein gutes Beispiel dafür ist das bergische Service-Center, eine Art Call-Center für die Verwaltung, an dem bereits Wuppertal und Remscheid partizipieren. Oder auch die geplanten Kooperationen in den Bereichen Datenverarbeitung, Beihilfe, Recht, Fuhrpark, Beschaffung und Gebäudemanagement. Man könnte auch ein gemeinsames Personaleinsatzmanagement schaffen.

njuuz: Wie beurteilen Sie das Tempo, mit dem im Bergischen Land an städteübergreifenden Kooperationen gearbeitet wird?

Büssow: Die Bergische Kooperation hat in den letzten drei Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen. Sie wird von den Städten auch nicht mehr lediglich punktuell, sondern als Gesamtpaket betrieben. Der Handlungsdruck wird durch die desolate Haushaltssituation der drei bergischen Städte allerdings auch immer größer. Ich würde mir auch im Kulturbereich möglichst schnell eine Art „bergischen Masterplan“ wünschen, damit die Weichenstellungen für eine nachhaltige bergische Kulturlandschaft schnell erfolgen und Planungssicherheit geschaffen wird.

njuuz: Kürzlich sagten Sie in einem Interview, Sie müssten „den Mut der Wuppertaler betonen, ihr Schauspielhaus zu schließen“. Tatsächlich ist es aber doch der Mut der Verzweiflung, der aus der blanken Not geboren ist. Verstehen Sie, dass viele Wuppertaler verbittert sind?

Büssow: Verbitterung könnte ich dann verstehen, wenn im Umkreis von einer Dreiviertelstunde Fahrtzeit mit dem ÖPNV kein qualitativ hochwertiges Schauspielangebot zur Verfügung stünde. Tatsächlich haben die Wuppertaler Bürger in diesem Umkreis beispielsweise mit Düsseldorf, Essen, Bochum, Hagen, um nur einige zu nennen, die Qual der Wahl. Und das verbleibende kulturelle Angebot in Wuppertal kann sich immer noch sehen lassen – da ist es aus Wuppertaler Sicht richtig und auch konsequent, Schwerpunkte zu setzen. Allerdings ist es in der Tat schade, wenn solche Entscheidungen isoliert erfolgen (müssen). Ich hielte ein abgestimmtes Vorgehen der Kommunen des Bergischen Raumes und auch des Ruhrgebietes für wünschenswert.

njuuz: Der Regierende Bürgermeister von Berlin nannte seine Stadt einmal „arm, aber sexy“. Wie „sexy“ können die hochverschuldeten Städte in NRW auf lange Sicht sein, wenn an Kultur, Sozialem und Bildung immer weiter gespart werden muss?

Büssow: Ich denke, das Bergische Land (wie zum Beispiel seinerzeit mit der Regionale 2006) und auch das Ruhrgebiet (zurzeit mit der Kulturhauptstadt 2010) sollten sich eher als „sexy Region“ verstehen und die kulturellen, sozialen und Bildungs-Angebote stärker arbeitsteilig organisieren.

Gerade in Wuppertal finde ich übrigens „sexy“, dass hier eine Kultur des Bürgerengagements herrscht. Mit Hilfe privater Sponsoren und ehrenamtlichem Einsatz, auch teilweise mit „Muskelhypothek“ wird hier einiges auf die Beine gestellt, ich denke da zum Beispiel an die Junior Universität oder die Initiativen zur „Nordbahntrasse“. Wenn es gelingt, dieses Engagement, z.B. in Form von Fördervereinen o.ä. einzubinden, könnte das durchaus dazu beitragen, dass gefährdete Angebote weiter aufrecht erhalten werden können. Dieses bürgerschaftliche Engagement ist ein Zeichen, das die Bürger einer Stadt in einer Solidargemeinschaft leben.

njuuz: Wird es in NRW Bürger erster und zweiter Klasse geben? Bürger erster Klasse leben in den relativ wohlhabenden Städten mit kultureller Vielfalt, hohen sozialen Standards und intakten Schulen. Und die Bürger zweiter Klasse wohnen in armen Städten, in denen lediglich die Grundversorgung vorgehalten werden kann?

Büssow: Das kann dazu führen. Bevor ein solches Szenario eintritt, muss und wird etwas geschehen. Schließlich hat die Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse Verfassungsrang. Unterschiede zwischen den Städten wird es aufgrund unterschiedlicher politischer Schwerpunktsetzungen immer geben – das ist auch ein Element der kommunalen Selbstverwaltung. Über die Wahlen und aktives Engagement in der Kommunalpolitik können die Bürger aber auf die Geschicke ihrer Kommunen Einfluss nehmen.

njuuz: Viele Menschen, die es sich leisten können, werden künftig aus den armen Städten in die wohlhabenderen ziehen, wo das Angebot reichhaltiger ist. Wird eine solche Entwicklung den Abwärtstrend, in dem sich arme Kommunen wie Wuppertal befinden, nicht noch weiter beschleunigen?

Büssow: Einer solchen Entwicklung muss entgegen gesteuert werden. Mit dem neu renovierten Opernhaus, dem kürzlich ausgebauten Zoo, den zahlreichen mittlerweile umgesetzten und abgeschlossenen Soziale-Stadt-Projekten und Fördermittelzusagen für ein städtebauliches Entwicklungsprojekt von der Größenordnung eines Döppersbergs sehe ich insbesondere Wuppertal noch nicht von der Entwicklung abgekoppelt, und auch in den anderen Problemstädten wurden im Nothaushaltsrecht noch viele Projekte zum Erhalt und zur Verbesserung der Lebensqualität auf den Weg gebracht.

njuuz: Wuppertals Oberbürgermeister Peter Jung und Stadtkämmerer Johannes Slawig fordern eine „grundlegende Reform der Kommunalfinanzen“ und einen Ausgleich zwischen finanzstarken und armen Kommunen. Wie aussichtsreich ist aus Ihrer Sicht diese Forderung?

Büssow: Auch ich bin der Auffassung, dass sich etwas Grundlegendes ändern muss. Ich halte die Forderung nach einer Überarbeitung des horizontalen und vertikalen Finanzausgleichs für nachvollziehbar und auch berechtigt. Wie aussichtsreich sie zum jetzigen Zeitpunkt ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Hier geht es um die Verteilung knapper Finanzmittel. Die für alle Beteiligten bequeme Lösung, weitere Schulden aufzuhäufen, vertuscht aber nur das Problem und verlagert es auf spätere Generationen. Darauf versuche ich mit meinem Aufsichtshandeln konsequent hinzuweisen. Es ist sicherlich hilfreich, die Probleme der Städte immer wieder an die Landes- und Bundesregierung, aber vor allem auch an die Vertreter der Region im Land- und Bundestag heranzutragen.
Eine Zukunftsaussage vermag ich jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu tätigen: Eine nachhaltige Lösung der Probleme der überschuldeten und von Überschuldung bedrohten Städte wird immer mit erheblichen und einschneidenden Konsolidierungsanstrengungen der Städte selbst einhergehen. Haushaltssicherung, so wie sie in Wuppertal zurzeit diskutiert wird, ist absolut geboten.

njuuz: Können Sie uns Wuppertalern etwas Mut machen, dass die Stadt ihre finanzielle Handlungsfähigkeit jemals zurückgewinnen kann

Büssow: Ich kann den Wuppertalern Mut machen, ich werde die Stadt bei ihren Konsolidierungsbemühungen begleiten. Aber die kommunale Schwerpunktsetzung müssen der Rat und die Verwaltung selbst leisten, sonst wären sie ja überflüssig.

Fragen: Georg Sander
Foto: Bezirksregierung Düsseldorf

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Kommentare

  1. gabi wunderbar sagt:

    klasse

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