Dolmetscher und Botschafter

Vor 25 Jahren wurde die Zoo-Schule im Tiergarten an der Hubertusallee gegründet

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Zoo-Schule? Lernen Tiere dort, wie man sich in einem Zoologischen Garten verhält? Nein: Die Zoo-Schule in Wuppertal leistet einen von vier Aufträgen, die ein Tiergarten erfüllen muss. Denn neben dem Natur- und Artenschutz, der Schaffung eines Erholungs- und Freizeitraums sowie der Forschung ist auch die Bildung ein Muss. Dabei reicht es allerdings nicht, Führungen für Zoo-Besucher anzubieten und die einzelnen Gehege zu beschildern. Zoo-Schule in Wuppertal heißt, den Biologie-Unterricht ab der ersten Klasse durch eine Doppelstunde im Zoo zu ergänzen und den Schülerinnen und Schülern den Wert der biologischen Vielfalt hautnah zu vermitteln und für ihren Erhalt zu sensibilisieren.
Zunächst geht es auch räumlich in die Zoo-Schule, in der die Schülerinnen und Schüler vor allem eines können, was im Zoo sonst eher nicht möglich ist: anfassen. Dabei geht es jedoch weniger um lebendige Tiere als vielmehr um ausgestopfte Tiere, Geweihe, Felle und Federn, die Martina Schürer, Leiterin der Zoo-Schule und Biologie-Lehrerin an der Hauptschule Uellendahl, vor allem auf Flohmärkten zusammengetragen hat. Eines der Stücke ist ein Pelzmantel aus Russland, der den Pädagogen als Anschauungsmaterial ganz besonderer Art gilt: Insgesamt acht Luchse mussten für den Mantel ihr Leben lassen. In Deutschland leben dagegen derzeit genau 17 Luchse in freier Wildbahn. Ohne erhobenen Zeigefinger wird den Schülern dabei schnell klar, was der eher abstrakte Begriff Artenschutz wirklich bedeutet.
Gleiches gilt für Exponate, die der Zoll zur Verfügung gestellt hat: Daran kann gezeigt werden, wie grausam Tiere für Taschen oder auch Schirmständer sterben müssen – und die im Übrigen auch nicht aus dem Ausland nach Deutschland eingeführt werden dürfen. Das sei vor allem für solche Kinder ein Aha-Effekt, die zum Beispiel schon einmal in der Türkei oder Nordafrika Urlaub gemacht hätten, berichtet Schürer.

Beobachten und selbst aktiv werden

Danach geht es zu den Tieren. Im Affenhaus können schon die Kleinsten zum Beispiel Verhaltensregeln lernen: Wie reagieren die Menschenaffen auf die Besucher, gibt es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Zaungäs-ten und was bedeutet es, wenn der Gorilla in seinem Gehege randaliert? Eines der Kinder hat es für Martina Schürer auf den Punkt gebracht, als es die Zoo-Pädagogen als „Dolmetscher“ zwischen Mensch und Tier bezeichnete.
Aber die Schüler können auch selbst aktiv werden, indem sie durch Beobachtung kleine und größere Aufgaben lösen sollen. Das können sie in der Schule, denn die Zoo-Schule hat drei Ausleihkisten zu den Themen Artenschutz, Reptilien und Vögel zusammengestellt, die für Projektwochen ausgeliehen werden können und von Arbeitsunterlagen über Bastelspiele bis hin zu Knochen, Federn und Fellstücken vieles beinhalten, was ebenfalls das praktische Lernen möglich macht.
Wer in den weniger beliebten Herbst- und Wintermonaten mit der Klasse in den Zoo kommt, darf als Bonbon auch schon mal in das Elefantengehege und die Tiere streicheln. Ansonsten ist die Zoo-Schule sehr gefragt: Wer zwischen den Oster- und Sommerferien einen Termin bekommen möchte, muss sich schon im Januar melden, normal seien zudem Wartezeiten zwischen vier und fünf Wochen, so Schürer.
Durchschnittlich besuchen pro Jahr rund 10.000 Schüler die Zoo-Schule, hinzu kommen gut 4.000 die mithilfe von Arbeitsblättern der Zoo-Schule mit ihren Lehrern das Gelände eigenständig erkunden. Andersherum heißt das, dass pro Jahr etwa 300 Klassen abgewiesen werden müssen.
Leider wird der Zoo-Schule in ihrem Jubiläumsjahr das Leben jedoch nicht gerade einfach gemacht: Vor zwei Jahren setzte die Bezirksregierung immer deutlicher ihren Sparkurs fort, der auch diese freiwillige Leistung trifft. Gab es 2008 noch 46 Lehrerwochenstunden, so sind es zum Schuljahr 2011/2012 nur noch elf, berichtet Martina Schürer. War die Zoo-Schule bisher außerhalb der Ferienzeiten jeden Tag und zum Teil auch nachmittags besetzt, fällt nun der Nachmittag ganz aus, ebenso wie der Donnerstag.
Und obwohl Schulunterricht in Deutschland eigentlich kostenlos sein sollte, muss die Zoo-Schule den Schulen inzwischen die zwei Stunden mit 50 Euro berechnen, bedauert Schürer. Problematisch sei, dass dazu noch der Eintritt in Höhe von drei Euro pro Kind kommen würde. Das reißt schon ein großes Loch in die Klassenkasse.

Arbeit werde immer wichtiger

Dennoch will die Zoo-Schule an ihrer Basisarbeit festhalten, die immer wichtiger werde, weil viele Schüler kaum noch Grundwissen in der Biologie hätten, denn im Unterricht würde eher das Ökosystem der Meere als die Tiere in der Wupper oder auf dem Bauernhof um die Ecke behandelt, so Schürer. So wüssten zwar viele ihrer jungen Besucher, dass der Lebensraum der Tiere zum Teil zerstört ist und wird, aber nur wenige erkennen, dass sie mit ihrem eigenen Konsum auch ihren Teil an der Zerstörung beitragen. Dass auch solchen Kindern und Jugendlichen verständlich zu machen, die sich dafür erst einmal nicht interessierten beziehungsweise andere Sorgen hätten, sei das Anliegen der Zoo-Schule, erklärt Schürer: „Und die Tiere sind dabei unsere besten Botschafter“.
Silke Nasemann

Foto: Michael Mutzberg

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Kommentare

  1. Silke Nasemann sagt:

    Hallo Frau Jaeger, die Zahl kommt von Frau Schürer und der Nabu spricht von 15 bis 20 gesichteten Luchsen in freieer Wildbahn. Aber sicherlich haben Sie Recht, dass man die genaue Zahl gar nicht festlegen kann. Aber das Beispiel mit dem Mantel finde ich sehr eingängig, auch noch, wenn mehr Luchse in freier Wildbahn leben würden…

  2. Stefanie Jaeger sagt:

    Woher kommt die Zahl mit den: „genau 17 Luchsen“? Der Luchs in freier Wildbahn ist genauso schwer zu erfassen, wie alle anderen Wildtiere auch. Es gibt Annäherungen an die Populationszahl, die genaue Zahl wird man nie wissen. 17 Luchse in ganz Deutschland scheint mir zu wenig. Freue mich über eine kurze Antwort!

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