Eine Brücke als Weltkulturerbe?

Mit der Diskussion um den Erhalt der Müngstener Brücke hat Solingens Oberbürgermeister Norbert Feith auch die Frage nach der Aufnahme in die Unesco-Liste als Weltkulturerbe gestellt

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Solingens Oberbürgermeister Norbert Feith sieht keinen Grund zur Bescheidenheit: „Die Müngstener Brücke hat Weltrang!“, so sein Ausruf im Zuge der Diskussion um den Erhalt der Brücke, die Solingen und Remscheid hoch über dem Müngstener Brückenpark miteinander verbindet. Aber er hat nicht ganz Unrecht: Die Brücke ist 465 Meter lang, 107 Meter hoch und wurde nach einer langen Planungs- und Bauzeit am 21. März 1897 dem Verkehr übergeben. Schon diese Rahmendaten sind bemerkenswert.
Lege man die Kriterien der Unesco-Konvention zugrunde, handele es sich bei der Bogenbrücke laut Feith um ein „Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft“, das einen „bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte“ in Bezug auf die Entwicklung der Technik darstelle und zudem einen „bedeutsamen“ Abschnitt der Menschheitsgeschichte repräsentiere. Dabei müsse nur einer dieser drei genannten Punkte erfüllt werden, heißt es bei der Stadtverwaltung Solingen.
Für Feith und seine beiden bergischen Kollegen Peter Jung (Wuppertal) und Beate Wilding (Remscheid) ist die Idee zudem nicht ganz neu, wurde jedoch nie allzu konsequent verfolgt: Bereits im Februar 2011 erhielten die Oberbürgermeister von Kunibert Wachten, Professor der Technischen Hochschule Aachen und Experte für Welterbestätten, ein positives Signal in diesem Sinne, unter anderem deshalb, weil qualifizierte Bewerbungen aus dem Segment der Industriekultur bisher eher unterrepräsentiert seien.
Der Zeitpunkt ist im Übrigen genau richtig, denn bis Oktober müssen die nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden dem Land Welterbestätten benennen, von denen dann bis Herbst 2012 zwei Vorschläge pro Bundesland erarbeitet und an die Unesco weitergegeben werden, wie es bei der Stadtverwaltung heißt. Die werden von einer Expertengruppe auf ihre Erfolgschancen geprüft und im Jahr 2014 von der Kultusministerkonferenz der Länder verabschiedet.
Alleine schon von dem Antrag erhofft sich Feith eine größere touristische Anziehungskraft für das Gebiet rund um den Brückenpark, mit dessen Zusammenklang von Natur, Industriekultur und Schloss Burg nur wenige Regionen mithalten könnten – was aber eben nicht allen bekannt sei. Zudem hofft Feith, mit seinem Engagement auch die Deutsche Bundesbahn für das Schicksal der Brücke „zu sensibilisieren“. „Ein Weltkulturerbe lässt man nicht verkommen“, so Feith. Aber: Die Bahn muss auch mit ins Boot genommen werden, wenn es um das Antragsverfahren auf Bundesebene geht.
Die Bewerbung soll die Bergische Entwicklungsagentur (BEA) ausarbeiten, wie es in einer Beschlussvorlage für den Rat der Stadt Solingen heißt. Zudem soll die Verwaltung prüfen, ob es – ganz unabhängig von dieser Bewerbung – auch noch andere Auszeichnungen, zum Beispiel als Denkmal von nationaler Bedeutung, für die Müngstener Brücke denkbar sind.

Blick in die Vergangenheit

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit könnte helfen, den Wert der Brücke zu verdeutlichen. Das taten die Bergischen Blätter 1978 in der vierten Ausgabe schon einmal – und darauf beziehen wir uns heute wieder.
Vor fast genau 114 Jahren (am 15. Juli 1897) wurde die Brücke im Beisein von Prinz Friedrich Leopold offiziell unter dem Namen Kaiser-Wilhelm-Brücke eingeweiht, nachdem sie schon im März fertiggestellt werden konnte.
Der Bau hatte sechs Menschen das Leben  und insgesamt 2,6 Millionen Reichsmark gekos-tet. Dauerten die Planungen alleine drei Jahre brauchte man noch einmal über sechs Jahre, um den Bau zu vollenden.
Anlass war, eine dringend erforderliche Verbindung zwischen den damals aufstrebenden Städten Remscheid und Solingen zu schaffen: Die lagen zwar nur gut acht Kilometer auseinander, wollte man jedoch mit der Bahn von einer zur anderen fahren, weitete sich die Strecke auf über 40 Kilometer aus.
Nach längerem Hin und Her bewilligte der Landtag 1890 schließlich fünf Millionen Reichsmark für den Bau der neuen Eisenbahnlinie einschließlich des Grundstückserwerbs.
Noch stand nicht fest, wie die Brücke am bereits auserkorenen heutigen Standort über der Wupper aussehen sollte und so wurde ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem drei Entwürfe vorgelegt werden sollten: für eine Gerüst-, eine Ausleger- und eine Bogenbrücke. Drei große Firmen beteiligten sich, von denen die Maschinenbau Actiengesellschaft Nürnberg als Sieger hervorging. Ihr Kostenvoranschlag lag bei 2,15 Millionen Reichsmark. Die Planungen übernahm Anton von Rieppel.
Weil die Verbindung zwischen Remscheid und Solingen nicht ganz einfach war, benötigten alleine die Vorarbeiten fast drei Jahre, bevor mit dem eigentlichen Bau der Brücke begonnen werden konnte.
1896 begann der komplizierteste und wohl auch technisch aufwendigste Teil des Baus: Der Brückenbogen, der eine Strecke von 160 Metern überspannt, musste frei schwebend montiert werden, wobei die Stützpfeiler bereits standen. Das war der „Solinger Zeit“ sogar eine Sonderausgabe wert: „Immer gewaltiger, immer gefährlicher schien der Bau, je mehr er wuchs. Beim Anschauen hatte man die beängstigende Empfindung, als müsse das geradezu ins Blaue hinein wachsende Werk in sich zusammenstürzen.“ Auch die „Remscheider Zeitung“ berichtete: „Die Hauptarbeit der Bogenmontage fiel in die Wintermonate. (…) Während der Bogenschlußarbeiten in der dritten Märzwoche d. J. tobten fast Tag für Tag heftige Stürme, begleitet von starken Gewittern.“
Das Einsetzen des Bogenschlussstücks war dann noch einmal ein spannender Moment: Bis auf einen Spielraum von wenigen Millimetern passte es, was mit einem verstärkten Berührungsstück ausgeglichen wurde. Nicht selten wurde danach diese Leistung der Ingenieure als „Beispiel deutscher Präzisionsarbeit“ gerühmt.
Der letzte Niet wurde als feierlicher Akt am Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. eingeschlagen. Am 3. Juli 1897 fuhr der erste Zug über die Brücke, wobei man die Lokomotive feierlich geschmückt hatte. Danach folgten vier Tage lang Probebelastungen mit drei schweren Güterzuglokomotiven und 40 beladenen Wagen. Nicht bestätigten Gerüchten zufolge ist die Straßenbrücke über den Niagara zwischen den USA und Kanada nach dem Abbild der Müngstener Brücke entstanden.
Silke Nasemann

Fotomontage: So könnte ein Brücken-Neubau aussehen – von Michael Mutzberg

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Kommentare

  1. Rosenblatt sagt:

    Brückenneubau? Nein Danke!!
    Lieber Wiederherstellung nach dem Vorbild der Wuppertaler Schwebebahn.

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