Ongerbarmen kallt noh emmer Platt

Zum Ende des Jahrtausends waren sich die Sprachwissenschaftler ziemlich einig, die Dialekte, vornehmlich das hiesige Platt stirbt aus. Im ausgehenden 19. Jahrhundert galt es schon als 'unfein', in Kreisen der betrübten (bedröppelten) Muttersprachler als 'nit fien' ausgedrückt, die Sprache der einfachen, zumeist aus dem Arbeitermilieu generierten Menschen zu benutzen. (Es ist eine eigenständige Sprache, die noch von vor der zweiten Lautverschiebung erhalten blieb. Dem Englisch, Dänisch, Holländisch und Friesisch näher als das heute gesprochene Deutsch.)

Bis dahin war es selbstverständlich so zu sprechen wie die Alten gelehrt, wie selbst die Lehrer (Schoolmeester) sprachen. Als Weltstadt galt derzeit das aufstrebende Wuppertal (damals noch Barmen, Elberfeld & Co), hier im engen Tal. Unternehmer und sich aus dem Milieu neu gebildeten (Neue Bildung) Persönlichkeiten konnten sich im Zuge der Globalisierung nicht mehr in der gewohnten Muttersprache unterhalten. Alsbald bemühte man sich um ein richtiges Deutsch.

Es entstanden im einfacheren Volk amüsante Formen einer Mischform, einem Hochdeutsch mit Elementen des Platt (Hochdütsch med Knubbeln), dem Strassenjargon.
Für die alten Niederdeutschsprecher (Plattkaller) bemühten sich derzeit noch einige hiesige Autoren um den Erhalt, sie schrieben Anekdoten und Gereimtes in der alten Sprache auf, um dem einfacheren Volk die Identität zu erhalten.

Gottlob, muss ich heute sagen. So ist uns ein Stückchen mehr Heimat und erhaltenswerte Kultur geblieben. Ich will gar nicht auf die anderen Regionen schielen, in denen es selbstverständlich ist zur Heimat zu stehen.
Hier in unserem Tal sind es allerdings nur Nischeninteressierte die das Kulturgut pflegen. Noch. Und wie das immer mit Nischen ist, solange es nicht chic ist – nicht vorgelebt, werden die Pfleger mit dem Pflegebedürftigen wegsterben.

Langsam kommen die inzwischen ehrenamtlich tätigen, weil nicht geförderten Pfleger selbst in die Jahre und werden Teil der Rollatorgeneration. Ziws gibt es nicht mehr lange, schon überhaupt nicht in Sachen Kulturpflege.
Was bleibt zu tun, Sterbehilfe den noch am Stock Gehenden geben? Nöö.
Da der Wuppertaler reinen Ursprungs ziemlich dickköpfig ausgestattet ist und im heranreifendem Alter sich nach dem „wer bin ich, wo komm ich her und wo geh‘ ich hin“ fragt, brodelt es noch immer im Bereich der freiwilligen Subkultur (die andere wird sowieso nicht bezahlt) und Musiker sowie andere Kulturschaffende prägen stoisch fortan das Erhaltenswerte. So wie der gemeine Unterbarmer eben.

Vor Jahren schufen die Mannen der Gruppe Stiekspöen (Streichhölzer) die Hymne des Nabels von Wuppertal. Dem Liedtext entlehnt, möchte ich auf die letzte Strophe sowie den Refrain besonders hinweisen um die Notwendigkeit des Erhalts der Muttersprache hinzuweisen. Da heisst es in der Übersetzung:

Europa rückt zusammen, alle werden eins.

Es gibt nur noch unser, und nicht mehr meins und deins.
Wir brauchen eine Hymne, dann wäre das Ding komplett.
Wir hätten einen Vorschlag, und meinen das wäre nett!

Am Unterbarmer Bahnhof hängt Stoffwechselendprodukt am Zaun,
Stoffwechselendprodukt am Zaun, Stoffwechselendprodukt am Zaun.
Am Unterbarmer Bahnhof hängt Stoffwechselendprodukt am Zaun,
ja, wie kommt es denn dort hin?

Wappen Unterbarmen

Originaltext:

Europa röckt tusamen, alle werden eins.
Et geft nur noch unser, un nit mehr meins un deins.
Vie brucken noch ’n Hymne, dann wör dat Ding komplett.
Vie hätten schon en Vörschlag, un meinen dat wör nett!

Am Ongerbarmer Bahnhof hängt Gedreten am Tuun,
Gedreten am Tuun, Gedreten am Tuun.
Am Ongerbarmer Bahnhof hängt Gedreten am Tuun,
jo, wie kömmt dat dann dohen?

http://www.striekspoeen.de/

Günter van Ongerbarmen
http://unterbarmen.im-wuppertal.de/

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