Buch der Woche: Melneczuks „Wallenstein“

In einer Grauzone zwischen Fiktion und Realität bewegt sich Stefan Melneczuk in seinem Roman „Wallenstein“.

Eine unheimliche Mordserie erschüttert das Ruhrgebiet und das Bergische Land. Das Nachtgespenst hält die Polizei in Atem, tötet wahllos und weckt dunkle Erinnerungen an den Kirmesmörder Jürgen Bartsch. Der Kreis schließt sich viele Jahre später. Und er ist rot wie Blut.

So beschreibt der Klappentext die – wie immer bei Stefan Melneczuk sauber recherchierte – Story. Was der in Böhmen geborene Feldherr (eigentlicher Name: Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein) mit dem Roman zu tun hat, soll an dieser Stelle nicht verraten werden.melneczuk_wallen

Den knapp 300 Seiten hat der Autor einen Anhang über den „Fall Jürgen Bartsch“ beigegeben, in dem er „Fakten zum damaligen Geschehen“ liefert, „die im Krimi naturgemäß außen vor geblieben oder nur verkürzt dargestellt werden konnten“.

Melneczuk reportiert dort die maßgebliche Literatur zum Thema und zitiert insbesondere den US-amerikanischen Journalisten Paul Moor, der sich wohl am gründlichsten mit dem „Kindermörder“ auseinandergestezt hat, aber auch die spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, die den offenen Beifall der Zuschauer bei der Urteilsverkündung für Bartsch mit den Morden an Kindern im seinerzeitigen Vietnamkrieg, aber auch „dem Umgang mit eigenen Kindern im eigenen Land“ in Beziehung setzte. Allein wegen dieses Anhangs lohnt sich der Kauf des Buchs.

„Wallenstein“ beendet eine Trilogie, die mit „Marterpfahl“ begann und mit „Rabenstadt“ fortgesetzt wurde. Eine Sammlung von kürzeren Arbeiten enthält der 2009 erschienene Band „Geisterstunden vor Halloween“, in dem Melneczuk einmal mehr seinen Sinn für (nicht nur schwarzen) Humor unter Beweis stellt. Etwa in den Geschichten „Irrtum“, in der er sich mit dem Literaturbetrieb auseinandersetzt, und „Langemark“, wo er den fatalen Mythos um eine Schlacht nördlich von Ypern literarisch verarbeitet, der schon damals dazu diente, Soldaten in einen sinnlosen Tod zu schicken: „Noch immer laufe ich mit meinem Regiment auf die Häuser bei Langemark zu. Wir sollen sie für das Vaterland einnehmen. Die Oberste Heeresleitung wünscht sich den Namen dieser Ortschaft, weil er ebenso erhaben wie deutsch klingt und sich als Trophäe für den Frontbericht bestens eignet.“

Der Langemark-Mythos war Thema der Magisterarbeit Melneczuks, die er bei dem berühmten Hans Mommsen geschrieben hat. Er kam am Halloweentag 1970 zur Welt, schreibt seit 1985 dunkle Literatur und wurde mehrfach für seine Kurzgeschichten ausgezeichnet – unter anderem 1993 mit dem Literaturpreis der Stadt Hattingen.

Seit 1998 erscheinen auch seine Bücher. Gemeinsam mit dem Musiker Sascha Gutzeit zog er mit dem Live-Programm Leichen im Keller das Publikum beim Krimi-Festival Tatort Eifel in seinen Bann. Jahrelang arbeitete der Hattinger für die Wuppertaler Lokalausgabe der WZ und ist derzeit bei EDE als Katalogredakteur beschäftigt.

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MATTHIAS DOHMEN

 

 

Stefan Melneczuk, Wallenstein. Thriller (= Blitz-Taschenbuch, 7012), Windeck: Blitz 2014, ISBN 978-3-89840-409-9, 319 S., Euro 12,95, www.melneczuk.de, www.blitz-verlag.de.

 

Stefan Melneczuk, Geisterstunden vor Halloween, Windeck: Blitz 2009, ISBN 978-3-89840-284-2, 350 S., Euro 17,95.

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