Buch der Woche: Heykens „Hofaue“

Ein Standardwerk über eine der ehemals bekanntesten Straßen in Deutschland. Zweimal im Jahr war zu deren Blütezeit „die Welt zu Gast in Elberfeld“.

In der Hofaue residierten im 19. Jahrhundert wohlhabende Kaufleute und stellten dort das erste Theater im Tal auf die Beine. Danach prägten Färbereien und Textilfabriken das Bild. Erst in der zweiten Hälfte des „langen“ Jahrhunderts entwickelte sich die Hofaue zu einem absoluten Schwerpunkt des deutschen Großhandels. Der hoffnungsvolle Neuanfang und der Wiederaufbau in den 1950er-Jahren fanden im folgenden Jahrzehnt ihr Ende, als die deutsche Textilproduktion ihre wirtschaftliche Funktion und die Hofaue damit ihre Bedeutung verlor: Ein schleichender und mitunter rasend schnell verlaufender Exitus.

Seine Arbeit hat der Stadtplaner und Autor chronologisch aufgebaut, beginnend mit den 1780er-Jahren. Fast die Hälfte des Umfangs nimmt eine alphabetisch sortierte Auflistung aller Firmen an der Hofaue ein, die das Buch zweifellos zu einem Nachschlagewerk für jeden macht, der über die Textilindustrie des Wuppertales forscht (oder nur lesen will). Der Bogen ist weit gespannt und umfasst beispielsweise auch das Hotel „Rheinischer Hof“, Hausnummer 82 und dort stehend, wo heute die City-Arkaden ihre kauflustige Kundschaft erwarten. Titel

Die Angaben sind sehr detailliert, wobei sich Heyken für die Zeit des Nationalsozialismus nicht zuletzt auf das Forschungsprojekt „Arisierung jüdischen Eigentums“ von Manfred Brusten und auf dessen Datenbank stützen konnte.

Bei der Umsetzung ihres perfiden Systems der Enteignung jüdischer Fabrikanten und Händler bediente sich der braune Staat der Industrie- und Handelskammern, denen die „Wertermittlung“ der zu „arisierenden“ Betriebe oblag. Die expropriierten Bürgerinnen und Bürger mosaischer Herkunft duften im Falle der Auswanderung pro Person ganze 10 (in Worten: zehn) Reichsmark mitnehmen. Auf die Kaufsumme wurde überdies eine Reichfluchtsteuer fällig, und den großen Rest sackte der Staat auf andere Weise ein, um seinen Eroberungs- und Mordfeldzug vozufinanzieren.

Leider enthält das Buch kein Personnregister – ein Wunsch, den der Rezensent an den Verlag für eine mögliche Neuauflage herantragen möchte. Dass Firmennamen grundsätzlich gefettet sind, erhöht deren Auffindbarkeit, hat aber auch zur Folge, dass mitunter der Lesefluss etwas gehemmt wird.

Der Autor, ein ausgewiesener Fachmann, war bis zu seiner Pensionierung bei der Stadt beschäftigt und hat seit 1992 Aufsätze in den Zeitschriften „Polis“ und „Geschichte im Wuppertal“ veröffentlicht. Gemeinsam mit Reiner Rhefus schrieb er über den Arrenberg.

Man wird sich den Namen H.-J. Momberger merken müssen, wenn der Verlag auch in Zukunft derartig instruktive und, aufs große Ganze gesehen, sorgfältige edierte Publikationen herausbringt, in denen Wirtschaft und Arbeitswelt, Land und Leute, Stadtteile und große Straßen der bergischen Metropole vorgestellt werden.                                 MATTHIAS DOHMEN

 

 

Hinrich Heyken, Die Hofaue. Das Textil-Großhandelszentrum in Elberfeld, Wuppertal: Momberger 2015, ISBN 978-3-940439-70-3, 287 S., Euro 15,99, Momberger-Verlag@gmx.de.

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