Start frei für die „Online City Wuppertal“

Bequem im Netz einkaufen und dabei gleichzeitig den Wuppertaler Handel unterstützen - geht das? Die Wuppertaler Wirtschaftsförderung ist davon überzeugt. Sie will den vermeintlichen Widerspruch mit einem bundesweit einmaligem Pilotprojekt knacken.

 

Immer mehr Menschen kaufen im Internet ein. Auf den ersten Blick bietet das Online-Shopping tatsächlich viele Vorteile. Die „Geschäfte“ sind rund um die Uhr geöffnet, die Ware wird bequem nach Hause geliefert, und wenn die neue Hose kneift oder die Schuhe nicht gefallen, schickt man sie einfach zurück.

Auf der anderen Seite schätzt der Kunde die lebendige Innenstadt, die qualifizierte Beratung im inhabergeführten Geschäft und den Schwatz über den Tresen. Dass beides, das Internet-Shopping und die vitalen Zentren mit ihrer abwechslungsreichen Einzelhandelslandschaft, auf Dauer nicht nebeneinander existieren können, gilt als Binsenweisheit. Und so befällt den einen oder anderen Online-Käufer beim Besuch von Amazon oder Zalando womöglich das schlechte Gefühl, mit dem Klick auf den Bestellen-Button wieder einen Sargnagel zur Beerdigung des Fachhandels beigesteuert zu haben.

Geht es nicht auch anders? Kann man nicht den komfortablen Einkauf am Computer und die Unterstützung für den lokalen Handel unter einen Hut bringen?

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Man kann, und zwar in Wuppertal. Nur in Wuppertal. Das Pilotprojekt „Online City“ bietet jedem Einzelhändler die Möglichkeit, seine Waren in einem gemeinsamen Shop anzubieten. Der Kunde bestellt, wie er es von Amazon & Co gewohnt ist, und kann die Ware gegen eine Versandkostenpauschale auf Wunsch noch am gleichen Tag an der Haustür in Empfang nehmen. Hinter dem bundesweit einmaligen Vorhaben steht die Wuppertaler Wirtschaftsförderung, unterstützt von Jobcenter, Sparkasse, Volksbank, Einzelhandelsverband, Werbegemeinschaft IG1 und WZ. Der Bund fördert das Modellvorhaben.

In mehreren Seminaren wurden die Händler für die Teilnahme an "Online City Wuppertal" vorbereitet.In mehreren Seminaren wurden die Händler auf die Teilnahme an „Online City Wuppertal“ vorbereitet. © OCW / Facebook

Für die Händler ist die Teilnahme an „Online City Wuppertal“ kostenlos. Erst bei einem Verkauf werden acht Prozent des Nettowarenwertes als Provision für den Shop-Betreiber atalanda fällig. Zudem bietet Online City Wuppertal auch Schulungen für den lokalen Einzelhandel an, um sie fit zu machen für die modernen Multichannelstrategien. Diese Seminare sind – bis auf eine Verpflegungs- und Druckkostenpauschale – übrigens kostenfrei. Abgehalten werden sie von Andreas Haderlein, Impulsgeber und Spezialist auf diesem Gebiet.

Trotz dieses eigentlich unschlagbaren Angebotes hat die lokale Geschäftswelt bei Projektleiterin Christiane ten Eicken anfangs nicht gerade Schlange gestanden. Es hat eine Weile gedauert, bis die angepeilte Zielmarke von zwanzig Teilnehmern erreicht wurde. Zum Startschuss am Mittwoch um 18:00 Uhr sind es sogar einige mehr. Woran liegt es, dass manche Einzelhändler sich zur Teilnahme entschlossen haben und andere nicht? njuuz-Herausgeber Georg Sander hat die Gründe am Bespiel mehrerer Wuppertaler Juweliere und Schmuckgeschäfte recherchiert.


Abeler ist gerne dabei, wenn etwas Neues beginnt

Bei Abeler ist der Verkauf im Geschäft in Elberfeld der wichtigste Vertriebskanal, doch seit 2003 verkauft man auch online.Bei Abeler ist der Verkauf im Geschäft in Elberfeld der wichtigste Vertriebskanal, doch seit 2003 verkauft man auch online. © Juwelier Abeler / Facebook

Für das Juweliergeschäft Abeler aus Elberfeld gab es nie einen Zweifel daran, dass man sich an „OCW“ beteiligen wird. „Ich finde das spannend und bin gerne früh dabei, wenn etwas Neues beginnt“, sagt Henrick Abeler. Sein Unternehmen betreibt bereits einen eigenen Online-Vertrieb und ist auf vielen weiteren Internetkanälen aktiv. „Wir sehen in ‚Online City‘ eine Chance für uns und wollen auch unsere Heimatstadt unterstützen.“ Abeler wird vor allem Sortimente in den neuen Shop einstellen, die einen gewissen Standardisierungsgrad aufweisen, wie zum Beispiel Modeschmuck von ausgewählten Marken. Kunden mit individuellen Wünschen werden nach wie vor im Geschäft bedient. Größere Probleme oder Veränderungen in den Geschäftsabläufen erwartet Henrick Abeler nicht: „Wir sind darauf vorbereitet, weil wir schon seit 2003 im Onlinehandel aktiv sind.“

Er rät Kollegen, die jetzt die ersten Schritte ins Netz machen, das Thema behutsam anzugehen: „Am Anfang braucht man noch kein eigenes Lager. Wenn ein kleiner Händler mitmachen möchten, kann er das mit den Artikeln machen, die vorrätig sind, sofern die Daten gut gepflegt werden.“ Den Aufwand sollte allerdings niemand unterschätzen: „Es ist erst einmal viel Arbeit, wenn man es richtig machen will. Ich würde trotzdem anderen Händlern empfehlen, sich bei ‚Online City‘ zu engagieren. Je mehr bei der Plattform mitmachen, desto besser.“

Baeumer setzt weiterhin auf den Verkauf im eigenen Geschäft

Mathias Wewer und Ehefrau Antje verkaufen auch in Zukunft nur im Juweliergeschäft am WerthMathias Wewer und Ehefrau Antje verkaufen auch in Zukunft nur im Juweliergeschäft am Werth © Juwelier Baeumer / Facebook

„‘Online City‘ ist eine super Idee“, sagt Mathias Wewer von Juwelier Baeumer in Barmen. „Aber der Verkauf über das Internet ist in unserer Branche stark auf bestimmte Produktgruppen begrenzt. Da geht besonders Modeschmuck, den wir kaum führen. Wir verkaufen vor allem über die persönliche Beratung im Geschäft am Werth. Am Wettbewerb über den Preis können und wollen wir uns nicht beteiligen.“ Wewer hat sich deshalb gegen die Teilnahme an dem Modellprojekt entschieden. „Für ein kleineres Geschäft ist das aber durchaus eine lohnende Sache, vor allem in punkto Werbung.“ Wewer hat keine Berührungsängste mit dem Internet: „Unsere Homepage wird gerade überarbeitet. Im Netz zu sein, ist schon wichtig. Unser Auftritt hat aber eher informativen Charakter. Wir werden auch nach dem Relaunch unserer Seite keinen Online-Shop haben.“

Landi will unter einer schützenden Hand in den Onlinehandel einsteigen

Daniela Landi sieht den neuen Absatzkanal als Chance: „Für eher kleine Geschäfte wie unseres ist ‚Online City‘ eine gute Gelegenheit, sich dem Thema Internet zu nähern“, sagt die 28jährige, die ein Juweliergeschäft in Vohwinkel führt. „Ich finde es gut, in den Onlinehandel unter einer schützenden Hand einzusteigen. Ein eigener Shop wäre zu kostenintensiv. Durch den gemeinsamen Auftritt profitieren außerdem alle voneinander. Die Lagerhaltung ist womöglich aufwendiger, aber man kann natürlich mit seinen Lieferanten sprechen.“. Daniela Landi weiß, dass ein Internet-Shop anders funktioniert als das Einkaufen vor Ort: „Das Online-Geschäft ist anders, da bieten wir vor allem ausgewählte Ware an, wie Basisartikel, kleine Geschenke, Perlstecker und Gravuren. Natürlich weisen wir unsere Kunden auch darauf hin, dass sie sich im Laden einen direkten Eindruck verschaffen können und individuell beraten werden. Ich habe keine konkreten Erwartungen an den Online-Umsatz, mir reicht erst einmal der Werbeeffekt.“

Es fällt auf, dass zu den Pionieren überdurchschnittlich viele Geschäfte aus Vohwinkel gehören. Für Daniela Landi ist das nicht erstaunlich: „Wir kennen uns hier und reden über das Thema. Ich bin mit vielen Händlern in Vohwinkel in Kontakt, damit unser Auftritt bei ‚Online City möglichst stark wird. Das neue Angebot bietet gerade für kleine Händler, von denen es hier viele gibt, die Chance, mit einem kleinen Schubs ins Netz zu kommen.“

Thomas Pusinelli (Lichtblick): Online-Shopping kann die Ausstrahlung eines Ladens nicht ersetzen

Thomas Pusinelli, Inhaber von „Lichtblick“ in Elberfeld, wird nicht an „Online City“ teilnehmen: „Ich glaube nicht, dass ich mitmachen werde. Ich müsste meine Lagerhaltung anpassen, das kann ein größerer Anbieter sicher besser als ich. Außerdem war ich schon immer skeptisch in Bezug auf das Einkaufen im Netz. Ein Internet-Shop kann nie die Ausstrahlung eines Ladens ersetzen. Die Kunden wollen sich die Ware ansehen, die Ringe anprobieren.“ Pusinelli, der auch im Vorstand der Werbegemeinschaft „IG1“ sitzt, die „Online City“ unterstützt, erwartet von der Stadt mehr Engagement. Ein solcher Shop sei nicht die Lösung der Probleme in der Elberfelder City. Er fordert vom Rathaus und dem Wuppertal Marketing ein „anständiges Marketingkonzept“. Sein Optimismus hält sich angesichts der bevorstehenden Ansiedlung von Primark am neugestalteten Döppersberg allerdings in Grenzen.


Fünf Fragen an Projektleiterin Christiane ten Eicken

Christiane ten Eicken

Für welche Geschäfte eignet sich die Teilnahme an „Online City Wuppertal“?

Grundsätzlich ist die Teilnahme für jeden Wuppertaler Einzelhändler sinnvoll. Es ist nicht unbedingt notwendig, dort eigene Produkte zum Verkauf anzubieten. Es gibt auch eine reine Schaufensterlösung, die den Händler zum einen als Teil des Handelsstandorts Wuppertal ausweist und mit der er an dieser Stelle Präsenz zeigt. Zum anderen hat der Händler damit auch die Möglichkeit, auf den atalanda-Service der taggleichen Lieferung zuzugreifen. So kann man auch seinen Kunden im Geschäft anbieten, die gekaufte Ware noch am gleichen Abend nach Hause liefern zu lassen, zum Beispiel, wenn noch etwas geändert werden muss oder die Ware nur in einer anderen Filiale vorrätig ist – einfach ein schönes Serviceangebot.

Welche Vorteile bietet OCW für den teilnehmenden Händler?

Der Vorteil liegt zum einen in dem zusätzlichen Serviceangebot für den Kunden. Insbesondere die taggleiche Lieferung ist derzeit noch ein unschlagbarer Vorteil gegenüber den großen Onlinemarktplätzen. Das Einkaufsverhalten ändert sich nun einmal, hier bieten wir unseren Einzelhändlern eine praktikable Möglichkeit, darauf zu reagieren. Und natürlich bringt „Online City Wuppertal“ auch viele Vernetzungsmöglichkeiten. Unter den Teilnehmern der Schulungen und in unserer geschlossenen Facebookgruppe für die Einzelhändler findet bereits ein reger Austausch statt, den wir auch weiter fördern möchten. Nicht zuletzt ist man hier Teil eines bundesweit einmaligen Pilotprojektes! Wuppertal geht voran!

25 Händler sind schon dabei. Wie viele Teilnehmer erwarten Sie in einem Jahr?

Wir hoffen natürlich, dass dieses Angebot auch von den Wuppertaler Kunden gut angenommen wird. Ich denke, dass dann noch andere nachziehen werden. Einige haben es auch einfach aus Zeitgründen nicht geschafft, direkt vom Start an dabei zu sein. Ich glaube, 60 sind realistisch, alles darüber wäre natürlich auch aus Kundensicht wünschenswert.

Wie wird das Modellprojekt von der Branche beurteilt? Schaut man auf Wuppertal?

Allerdings – nicht umsonst gehörte unser Konzept ja im Wettbewerb von bundesweit eingereichten 160 unterschiedlichen Ideen im Bereich der Innenstadtentwicklung zu den 20, die nun mit Bundesmitteln gefördert werden. Wir sind ein ausgewiesenes Modellprojekt! Die Fachpresse berichtet regelmäßig über uns und mein Projektpartner Andreas Haderlein hat das Projekt in den letzten Monaten bei verschiedenen Kongressen und Tagungen vorstellen dürfen. Nicht zuletzt beim Runden Tisch e-commerce des NRW-Wirtschaftsministeriums.

Wie lange wird die Wirtschaftsförderung „Online City“ koordinieren?

Die Projektlaufzeit ist auf drei Jahre angesetzt, 2016 läuft es aus. Wir hoffen, dass es bis dahin ein Selbstläufer sein wird und sich auch unser „Retail Lab“, in dem wir umgekehrt Onlinehändler auf die Fläche bringen – damit starten wir nun im kommenden Jahr – etabliert ist.


Die Pioniere bei „Online City Wuppertal“

Naschkatzenparadies
Bürobedarf Illert
Boda Weinhaus
Pujalu | Perlen und mehr
Juwelier R. Landi
Zoomarkt Ostersbaum
Sport Hedtke
Juwelier Abeler
Villa Media
Kosmetikstudio Casa Suprema
WupperKüchen
RockStore
Pretty Woman Brautmode
Freaky & Nuts
Weiß Tier-Menü
Der Schlafraum
Lichtbogen Wohn- und Objektbeleuchtung
Buchhandlung v. Mackensen
Galerie Kunstkomplex
Anton Brocker
Gisis Boutique
Frau Wunder
Kostümstudio Sacher
Buchhandlung Baedeker
Kunstgalerie Hashemi


>> Zum Shop von „Online City Wuppertal“

>> „Online City“ auf Facebook

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Kommentare

  1. Rainer Briel sagt:

    An die Projektleiterin Christiane ten Eicken

    Hallo Frau ten Eicken,
    das Projekt halte ich für eine sehr gute Idee und bin gespannt, wie es angenommen wird. Wir sind Hersteller von innovativen Systemprodukten aus Metall für Haus und Garten. Unsere bisherigen Zielgruppen waren Bedachungsfach- und Baustoffhändler.
    Seit einigen Monaten beliefern wir auch Verarbeiter aller Gewerke bis hin zum Endkunden, weil der handel in unserer Branche sich einfach nicht bewegt hat und in zumindestens fragwürdigen Bonussystemen seine Zukunft gesehen hat.

    Unternehmen aller Branchen und Größen müssen oder sollten anders denken, wenn sie auf Dauer eine Zukunftsberechtigung mit selbst erwirtschafteten Erträgen haben wollen.

    Viel Erfolg und weiterhin kreative Idee.
    Beste Grüße aus dem Wittgensteiner Land

    Rainer Briel

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