Buch der Woche: Briefwechsel Reinhold Schneider/Rudolf Alexander Schröder

Unser Autor, Germanist und Historiker, stellt mit dem „Buch der Woche“ eine ungewöhnliche Publikation aus der Feder von Prof. Dr. Klaus Goebel vor, der den Briefwechsel zwischen Reinhold Schneider und Rudolf Alexander Schröder herausgegeben hat.

Schneider und Schröder darf man getrost als Protagonisten der „inneren Emigration“ bezeichnen, also eines Kreises dezidiert antifaschistisch eingestellter Publizisten, Politiker, Militärs und Schriftsteller, die sich ungeachtet ihrer Opposition aus sehr unterschiedlichen Gründen nicht imstande sahen, nach 1933 Deutschland zu verlassen.

Über zwei Jahrzehnte dauert der Briefwechsel der beiden Autoren an, deren Freundschaft ihren besonderen Reiz auch darin findet, dass sie verschiedenen Generationen angehörten: Der Katholik Reinhold Schneider gehört Geburtsjahrgang 1903 an, der ungewöhnlich vielseitige Protestant Rudolf Alexander Schröder erblickte 1878 das Licht der Welt.

Beide litten an den Zeitläuften. Schneider sprach sich kompromisslos gegen die westdeutsche Wiederbewaffnung und einen möglichen Atomkrieg aus. An Schröder schreibt er im Juni  1946, dass dessen Pfingstpredigt 14 Tage nach Niederlage und Befreiung ihm „aus dem Herzen gesprochen“ sei: „Umkehr, Buße und Treue, darum geht es, und es ist kein Heil für uns und alle außer im Eingeständnis persönlicher und allgemeiner Schuld“ (S. 60 f.). Der Dichter, Kirchenliedverfasser, Maler, Architekt und Designer hatte nicht mit bitterer Selbstkritik gespart: „In welch unsägliches Leid haben Führer … die Welt gestürzt, und was ist von unsrer, der Christen, Seite geschehen, um dem Blutwahn … in den Arm zu fallen? Wenn von anderen die Rede war, haben wir das Maul tapfer aufgerissen. Gegenüber unsrer eigenen, längst weltkundigen Schande haben wir die Augen zugekniffen, und wo das nicht mehr anging, an ihr vorbeigeblickt“ (S. 57).

Schneider und Schröder publizierten während des Nationalsozialismus vor allem im Berliner Eckart-Verlag, zu dessen Autoren auch Jochen Klepper, der 1942 gemeinsam mit seiner jüdischen Ehefrau und der Stieftochter den Freitod suchte, und Werner Bergengruen zählten. Von der Hauptstadt ausgehend, bildeten sich in zahlreichen Städten, darunter in Wuppertal, so genannte Eckart-Kreise zumeist um Angehörige der Bekennenden Kirche.

Eine große Rolle spielt im Briefwechsel die Wahl Thomas Manns, demgegenüber zumindest Schröder Vorbehalte äußerte, in das Kapitel des Ordens „Pour le mérite“, wofür sich nicht zuletzt Bundespräsident Theodor Heuss eingesetzt hatte. Der Titel des Buches ist einem an Schneider gerichteten Brief Schröders entnommen, in dem der zuletzt Genannte Ende 1954 „den tiefen, dunklen Glockenton zu vernehmen“ meinte, „der mir aus fast allen Ihren Schriften entgegentönt, sehr eigen, sehr unvergleichlich, sehr vertraut und ehrwürdig“ (S. 80).

Die Veröffentlichung der über 30 Briefe und von einem Dutzend weiterer Texte und Dokumente sowie einiger Fotos und Faksimiles verdanken wir dem Wuppertaler Historiker Klaus Goebel, der unlängst seinen 80. Geburtstag hat feiern können und der mit zahlreichen Arbeiten zur deutschen Literatur, zur Reformations- und Kirchengeschichte sowie zur Regionalgeschichte wie auch als sachkundiger Rezensent in Erscheinung getreten ist. Der „Glockenton“ ist ungewöhnlich sorgfältig ediert und enthält neben einer längeren Einleitung zahlreiche Register sowie Quellen- und Literaturangaben. Wer sich mit Rudolf Alexander Schröder oder Reinhold Schneider näher beschäftigen möchte oder bereits beschäftigt hat, wird dieses Buch mit großem Gewinn lesen.

MATTHIAS DOHMEN

Der dunkle Glockenton. Briefwechsel zwischen Reinhold Schneider und Rudolf Alexander Schröder. Hrsg. Klaus Goebel, Passau: Ralf Schuster 2014, ISBN 978-3-940784-23-0, 147 S., Euro 14,98, www.ralf-schuster-verlag.de.

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