01.07.2014

Vom Leben und Schweben in Wuppertal

Matthias Dohmen, Germanist und Historiker, stellt jeweils am Monatsanfang ein besonderes Wuppertaler (oder bergisches) Buch vor, meist (aber nicht immer) eine Neuerscheinung. Heute präsentiert er „Geschichten aus jedem Blickwinkel der Stadt“.

Eine Hommage an die Stadt, und zwar nicht an irgendeine. In der von André Wiesler herausgegebenen Anthologie „Vom Leben und Schweben in Wuppertal“ findet man „von Krimi bis Humor, von Romantik bis Science Fiction, von Sozialkritik bis zur historischen Betrachtung“ (Vorwort) ein breitgefächertes Genre- und Themenspektrum, das auch Raum für Lyrisches und für Fotos bietet. Eine gleichnamige Vortragsreihe in der Börse liegt hiermit, dem Verleger sei Dank, zwischen zwei Buchdeckel gepresst vor und kann für 17,50 Euro in jeder guten Buchhandlung – wir nennen von den wenigen, die im Tal übrig geblieben sind, Köndgen in Barmen und „von Mackensen“ in Elberfeld – erworben werden.

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Leben und Schweben

Zwei Geschichten haben uns besonders gefallen: eine Erinnerung des Globetrotters Hermann Schulz, geboren 1938 in Ostafrika, und eine Ortsbesichtigung von Sandra Stünkel, die 1971 in Wuppertal das Licht der Welt erblickte – gesund und „mit alles“, wie man es sich das von einer Neugeborenen wünscht, auch wenn die Mutter 23 Stunden benötigt, um das Mädchen „herauszuquetschen“.

Sie erinnert sich ihrer Kindheit und Jugend, beispielsweise wie sie es mit drei Jahren in die „Bild“-Zeitung schaffte. Ihr gelingt es, dem hässlichen Tunnel zwischen Hauptbahnhof und Elberfelder Innenstadt („Der Tunell ist auch ein Wahrzeichen von Wuppertal“), dem sonst niemand eine Träne hinterherweint, ein literarisches Denkmal zu setzen. Sie, die Jahre im hohen Norden der Republik gelebt hat, bemängelt an ihrer Heimatstadt, dass „nirgendwo ein Meer in Reichweite ist“. Etwas ungerecht, wo doch so viel Wasser von oben kommt.

Hermann Schulz’ Rück-Blick trägt den Titel „Mina Knallenfalls und das Völkerschlachtdenkmal“ und beschreibt Begegnungen mit dem noch unbekannten Eduardo Hughes Galeano 1972 in Wuppertal und mit dem bereits Arrivierten im Leipzig der Nach-DDR. Eine Lektüre mit Folgen, denn der bergische Literat macht auf des Uruguayers „Erinnerungen an das Feuer“ und Robert Wolfgang Schnells „Erziehung durch Dienstmädchen“ neugierig. Im doppelten Sinne umwerfend: die füllige Stripteasetänzerin im Nachtlokal „Sir Henry“, in dem Schulz & Galeano, „wie es sich für junge Autoren und junge Verleger gehört, guten Whiskey“ tranken. Mehr davon, Hermann!

André Wiesler (Hrsg.), Vom Leben und Schweben in Wuppertal. Geschichten aus jedem Blickwinkel der Stadt, Wuppertal: Edition Köndgen 2013, ISBN 978-3-939843-51-1, 226 S., Euro 17,50. www.edition-köndgen.de.

 

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