Interview mit Dietmar Bell über Forensik, IKEA und Stärkungspakt

IKEA, Forensik, Kürzung des Stärkungspaktes... Die Landesregierung war bei den Wuppertalern schon einmal populärer als derzeit. njuuz sprach mit Dietmar Bell, sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der SPD in Wuppertal.

Dietmar Bell ist einer von drei Wuppertaler SPD-Abgeordneten im NRW-Landtag.Dietmar Bell ist einer von drei Wuppertaler SPD-Abgeordneten im NRW-Landtag.

Herr Bell, Wuppertal soll aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen statt der fest zugesagten 72 nur noch rund 61 Millionen Euro im Jahr erhalten. Wie beurteilen Sie die Vorgehensweise der rot-grünen Landesregierung?

Grundlage für die Neuberechnung war eine Überprüfung der Datenbasis der Kommunen. Was können die Lösungen sein? Wir Wuppertaler Abgeordnete halten das für eine Frage der Verlässlichkeit. Das Thema ist derzeit noch offen. Wir hatten letzte Woche eine ganze Reihe von Gesprächen.

Es gibt Forderungen an das Land, den Stärkungspakt aufzustocken, damit keine Stadt weniger Zuschüsse bekommt als zugesagt.

Eine Aufstockung der Fördermittel scheidet aus, denn dazu müssten 130 Millionen Euro jährlich aufgebracht werden. Wir brauchen eine andere Lösung, die auf Landesebene liegt.

Wuppertal könnte die Einnahmen erhöhen, um die Lücke zu schließen. Schließen Sie Steuererhöhungen aus?

Ich kann Steuererhöhungen nicht ausschließen, aber wir suchen nach anderen Lösungen.

Das Land steht wegen der Kürzungen in der Kritik, dabei könnte man natürlich auch sagen: seien wir doch froh, dass es immerhin die 61 Millionen gibt.

Jetzt, wo wir 72 Millionen hätten bekommen können, ärgern wir uns über die Kürzung. Das ist psychologisch eine extrem unglückliche Situation.

Kommen wir zum Thema IKEA. In der öffentlichen Diskussion herrscht der Eindruck vor, dass im Ruhrgebiet auf der grünen Wiese Einkaufszentren mit innenstadtrelevanten Waren gebaut werden dürfen, während die Landesregierung einen IKEA mit Homepark in Wuppertal verhindern will. Wie ist es tatsächlich?

Das ist ein offenes Verfahren. Es ist absolut nicht abgeschlossen. Wir erleben jetzt großes Kino. Das Land will die Grenze von 10% innenstadtrelevanten Sortimenten durchsetzen. Die Gespräche zwischen IKEA, Land und Stadt werden intensiv fortgeführt. Im nächsten Offenlegungsbeschluss wird die Stadt die 10%-Grenze einhalten. Ich bin optimistisch, dass IKEA in Wuppertal realisiert wird.

Hat die Stadt selbst das Problem erst geschaffen, als sie die Sortimentsliste, die das Land jetzt als Grund für die Untersagungsverfügung gegen die IKEA-Planungen anführt, vor wenigen Monaten verschärft hatte?

Jein. Wir sind ja in einem rechtsfreien Raum. Der neue Landesentwicklungsplan ist ja noch nicht in Kraft. Wir streben an, dass wir nach der neuen Liste unter 10% landen werden. Wir werden die Wuppertaler Liste ja heute (in der Ratssitzung am 17.12., Red.) anpassen.

Zur Zeit gibt es keine gültige gesetzgeberische Lösung. Keiner weiß, wie ein Gerichtsverfahren ausgehen würde. Auch das Land muss bestrebt sein, Klagerisiken zu minimieren.

Wie schätzen Sie die Chancen für IKEA in Wuppertal ein?

Ich gehe von 60-70% Wahrscheinlichkeit aus, dass es den IKEA mit Homepark geben wird.

Ihr Wuppertaler Landtagskollege Rainer Spiecker (CDU) behauptet, dass Sie und Ihre beiden Mitstreiter Andreas Bialas und Josef Neumann sich nicht gegen die mächtigen Ruhr-Gebietsfürsten durchsetzen können.

Herr Spiecker weiß doch selber, dass er in seiner eigenen Fraktion in der Frage IKEA keine Mehrheit hätte. Wir haben in den letzten Monaten wichtige Infrastrukturentscheidungen vorbereiten können, z.B. beim Ausbau der Regiobahn oder bei der L419. Da sind wir sehr gut unterwegs. Die Planungen zu IKEA fielen unglücklich zusammen mit den DOC-Planungen in Remscheid.

Der dritte aktuelle Knackpunkt zwischen Stadt und Land ist die geplante forensische Klinik für psychisch kranke Straftäter in Wuppertal. Verstehen Sie, dass viele Bürger diese Entscheidung angesichts der bereits bestehenden beiden Justizvollzugsanstalten nicht nachvollziehen können?

Ich finde die Debatte nicht zielführend, auch wie sie von den Medien geführt wird. Grund der Entscheidung der Ministerin ist die mangelnde Gesprächsbereitschaft der Kommunen im Landgerichtsbezirk. Wuppertal hätte im letzten Jahr das Gesprächsangebot der Ministerin annehmen sollen. Wuppertal ist die einzige Stadt mit einer passenden Immobilie im Landgerichtsbezirk. Daher war es nicht überraschend, dass Lichtscheid ein möglicher Standort für eine Forensik sein würde. Wir (die SPD-MdL Dietmar Bell, Andreas Bialas und Josef Neumann, Red.) haben der Ministerin in der Fraktionssitzung sofort mitgeteilt, dass der Standort wegen der Nähe zur JVA Ronsdorf ungeeignet ist.

Wenn ein anderer Standort gefunden werden soll, dann reden wir über einen ganz kurzen Planungszeitraum. Die einzige Alternative von der Größe her wäre die Kleine Höhe. Ob es taktisch klug war, diese Fläche so früh ins Gespräch zu bringen, möchte ich bezweifeln. Es sind aber noch weitere Flächen außerhalb Wuppertals in der Prüfung. Sie müssen machbar, im Zugriff und von der Akzeptanz her möglich sein. Das Ministerium macht da einen ernsthaften und guten Job.

Ganz kurz war ja in der Politik als Alternative ein Standort nahe der JVA in Ronsdorf hochgepoppt. Danach hat man davon nichts mehr gehört.

Das einzige, was man mit neuen Vorschlägen erreicht, ist die Gründung neuer Bürgerinitativen.

Ich bin dafür, die Debatte sachlich zu führen. Der Vorwurf, wir würden abtauchen, ist völlig falsch. Wenn die Bürgerinitiativen andere Vorschläge haben, ist das immer eine gute Situation.

Sind die Bürgerinitiativen damit nicht überfordert? Dort sind ja keine Fachleute für solche Fragen aktiv.

Da engagieren sich durchaus gute und politikerfahrene Leute.

Wer übrigens eine solche Frage zur Verliererdebatte für die Stadt schreibt, schreibt die Stadt auch ein Stück weit kaputt. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir eine solche Debatte führen, ohne eine solche Einrichtung zu verunmöglichen. Außerdem: Die Wuppertaler Patienten, die zur Zeit in forensischen Kliniken therapiert werden, machen ja längst ihren Freigang in Wuppertal.

Die Gegner der Forensik befürchten eine Entwertung ihrer Immobilien und machen sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder. Sind diese Bedenken gerechtfertigt?

Das sehe ich nicht. Ich nehme das durchaus ernst. Die modernen forensischen Kliniken sind aber sehr sicher.

In Solingen hätte das Land eine geeignete Immobilie erwerben können, hat aber mit Verweis auf den Standort Lichtscheid darauf verzichtet.

Wer sich ernsthaft mit der Immobilie befasst, weiß, warum sie aus Denkmalschutzgründen nicht in Frage kommt. Mein Kollege Josef Neumann hat den Standort sehr intensiv geprüft.

Momentan gibt es ja gleich mehrere unpopuläre Diskussionen: IKEA, Forensik, Kürzung der Stärkungspakt-Mittel. Zufall?

Ja, das ist Zufall. Wir werden bei den einzelnen Themen sehen, wo wir im Frühjahr stehen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dann in wesentlichen Fragen weitergekommen sind.

Sie sind in der zweiten Legislaturperiode im Landtag. Was sehen Sie als Ihre größten Erfolge?

Zuerst sicher der Stärkungspakt Stadtfinanzen, weil das ein extrem symbolträchtiges Thema war. Auch die laufenden Infrastrukturprojekte sind relativ weit. Die L419 war in den letzten 30 Jahren nie so weit wie heute. Das war schon eine richtig gute Leistung, denn das Neubaubudget des Landes liegt bei nur 45 Millionen Euro, die L419 soll alleine 42 Millionen Euro kosten. Auch bei der Regiobahn sind wir auf gutem Weg.

Zu Zeiten der CDU-geführten Regierung ist für die Entschuldung und die Förderung der Infrastruktur nichts passiert. Wir haben auch die Soziale Stadt wieder möglich gemacht. Die Projekte in Wichlinghausen und Oberbarmen sind eine gute Ausgangssituation, die Quartiere weiter zu bringen. Bei der Neuauflage dieser Maßnahmen arbeiten wir sehr eng mit der Bergischen Entwicklungsagentur und der Stadt zusammen. Da geht es jetzt um die Frage, wie die Förderkriterien aussehen werden.

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Mit Dietmar Bell sprach Georg Sander
Foto: SPD

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Kommentare

  1. Ilya Leblan sagt:

    Sehr geehrter Herr Bell, sehr geehrte Redaktion,

    unter diesem Link befinden sich alle Objekte in der Stadt Solingen, die als Denkmal klassifiziert sind:

    http://www2.solingen.de/C12572F800380BE5/files/Denkmalliste.pdf/$file/Denkmalliste.pdf

    Das genannte Objekt (Ex-Rasspe-Areal) befindet sich an der Straße Stöcken und ist NICHT in der Denkmalliste vorhanden.

    Mit freundliche Grüßen
    Ilya Leblan

    1. Nordseefreund sagt:

      Vielen Dank für diese äußerst wichtige Information.
      Herr Bell sollte nun endlich anfangen, „ernsthaft“ seine Arbeit zu tun und
      die „sehr intensive intensive Prüfung“ seines Solinger Kollegen Josef
      Neumann kritisch hinterfragen- oder darf er das nicht???

  2. Fragezeichen sagt:

    Das mit dem angeblichen Denkmalschutz auf dem Solinger Grundstück lese ich hier zum ersten Mal. Warum wurde das bisher nicht publiziert? Gemauere und Geschachere an allen Ecken und Enden, es ist unerträglich! Im übrigen, verstehe ich das richtig, dass dem Ministerium ein paar alte Stein wichtiger sind als Verteilungsgerchtigkeit, Opferschutz und Umweltschutz (Kleine Höhe)? Das kann doch nicht wirklich wahr sein.
    Das glaube ich nicht.

  3. dirk diestelhorst sagt:

    Dietmar Bell ist der beste .ein mensch der auf jeden FALL in Wuppertal besser aufgehoben wäre ,als in Düsseldorf. in Wuppertal als Oberbürgermeister, aber in einer Sache liegt er wie auch viele andere falsch , Wuppertal braucht kein Ikea ,die wahren hintergründe über Ikea sind bekannt . und außerdem ,muss sich eine Stadt wie Wuppertal ,sich nicht mit einem Ikea zufrieden geben , und mit allem was da dran hängt.ich wünsche Herrn Bell das er bald wieder als Oberbürgermeister nach hause kommt .auch wenn er die höhe Politik verdient hat, wird er hier im Tal am meisten gebraucht. die Stadt Wuppertal braucht wieder einen Chef der dem würdig ist ,diese Stadt aus all ihren Kriesen zu führen,und das Wuppertal bald wieder stolz auf sich sein kann.

    1. Eigenlob sagt:

      Herr Bell, haben Sie das selbst geschrieben oder schreiben lassen?

      Herzlichen Glückwunsch! 🙂

  4. petzi sagt:

    Allein das Thema Ikea/Homepark sollte allen verantwortungsvollen Bürgern reichen, diesen wie auch alle anderen Handlanger der schwedischen Steuervermeider nie wieder zu wählen. Der Homepark schwächt die Innenstadt, die schon genug Probleme hat, und Ikea exportiert seine Gewinne über Lizenzzahlungen nach Luxemburg. Das sollte auch der Herr Bell wissen, und er weis es ganz bestimmt. Man sollte auch an die Anwohner denken, die an dem erhöhten Verkehrsaufkommen zu leiden haben werden. Lärm macht krank. Und wofür das alles? Ikea Düsseldorf ist nicht weit weg und stört dort wo es ist auch niemanden. Finanziell hat Wuppertal von Ikea gar nichts und muss bestenfalls nichts drauflegen. Vom Homepark geht aber unmittelbar Schaden aus. Ich bin kein Händler, aber auf noch mehr 1 Euro Läden und leere Schaufenster kann ich verzichten. Wuppertaler, schaut nach Oberhausen.

    1. Uwe Karsties sagt:

      Kein Mensch braucht einen „IKEA“ in Wuppertal, der ortsansässige Einzelhandel könnte auch gut drauf verzichten!!
      Vor vielen Jahren gab es in Elberfeld ein Spielwarengeschäft namens „Sasse“ – da gab sogar kompetente Beratung! Heute gibt es „Toys R us“. Wuppertaler Firmen haben gegen Konzerne eben keine Chance!
      Und das „Morden“ geht weiter: Wenn jetzt noch die „City-Arkaden“ erweitert werden, verkommt Wuppertal zur NANU-NANA Metropole!
      Ich erwarte gerade von einem SPD Politiker, dass er die sozialen Auswirkungen von politischen Entscheidungen stärker berücksichtigt!

      Mit freundlichen Grüßen
      Uwe Karsties

      P.S. Ich bin nicht im Einzelhandel beschäftigt.

  5. gelöscht sagt:

    [Kommentar wegen unangemessener Wortwahl vom njuuz-Team gelöscht]

  6. Wuppertaler sagt:

    Der Mann ist ja komplett UNERTRÄGLICH. Spielt hier den globalen Demokratielehrer.
    Schön dass er den jungen Leuten aus Tabarka und uns Wuppertalern Weg Demokratie erklären möchte. Bell, kümmere Dich weiterhin um Ladengsöffnungszeiten und Solinger Denkmalschutz, dann zeigt Dir Deine Demokratie bald wo Du hingehörst.

    1. gelöscht sagt:

      [wegen unsachlichem Inhalt vom njuuz Team gelöscht]

    2. Zensur sagt:

      sagt: Meinungsfreiheit! Alle bislang gelöschten Kommentare waren kein wirkliches Problem! Warum so streng?

      1. njuuz sagt:

        Wir wollen auf njuuz eine konstruktive Auseinandersetzung fördern. Alle gelöschten Kommentare haben dazu nichts beigetragen. Bitte nutzen Sie das Portal, um einen demokratischen Diskussionsprozess in Gang zu setzen, den wir im Tal dringend benötigen. Beschimpfungen, oder nicht themenbezogene Meinungsäußerungen tragen dazu nichts bei.

        1. Zensur sagt:

          Das ist nett, das Problem bei dem Thema Foresnik ist nur, dass genau dieses, Ihr Ansinnen, der „demokratische Diskussionsprozess“, derzeit in KEINSTER WEISE stattfindet! Wir sehen uns sowohl von seiten der Stadt als auch vom Land NRW derzeit diktatorischem Vorgehen gegenüber und das bringt die Leute zurecht auf die Palme. Sie verlangen eine demokratische Diskussion der Bürger, die die Politiker jedoch NICHT mit den Bürgern führen. Ist das IHRE Vorstellung von DEMOKRATIE?

        2. Anwohner KleineHöhe sagt:

          Ganz schön armselig, njuuz.
          Habt Ihr sowenig Zugang zur Politik, dass Ihr Euren Interviewpartner vor kritischen Kommentaren „schützen“ wollt oder müßt, damit Ihr auch morgen was zu publizieren habt?
          Ihr bzw Sie entscheiden jetzt, was diskussionsfähig ist? Da kann man ja gleich die Presseerklärungen lesen.

          Bell darf hier frei zu Wort kommen, den Wuppertalern regelrecht ins Gesicht spucken und Ihr erwartet dass das hier emotionslos hingenommen wird?

          1. Wir erwarten, dass man auf zivilisierte Weise miteinander kommuniziert und gerne auch streitet. Wer die einfachsten Formen fairen Umgangs nicht beherrscht und aus dem Schutz der Anonymität Beleidigungen oder Unwahrheiten verbreitet, kann sein Glück gerne woanders versuchen. Wir werden das jedenfalls auf unserem Portal nicht dulden.

        3. Der Beitrag enthielt eine falsche Behauptung über eine namentlich benannte Person. Da wir als Redaktion Kenntnis davon hatten, dass diese Behauptung nicht der Wahrheit entsprach, wären wir im Zuge der Verbreiterhaftung unter Umständen sogar juristisch verantwortlich. Sie können sich gerne selbst die Frage stellen, wie Sie unter diesen Umständen an unserer Stelle gehandelt hätten.

        4. Lösung sagt:

          Das ist ganz einfach: Demokratischer Diskussionsprozess ? Einfach machen! Zur Findung des geeignetesten Standortes im Bezirk befragt man die Mneschen (welche Auswahlkriterien sind Ihnen die wichtigsten?) und setzt anschließend die Kommunalpolitiker an einen runden Tisch, die sich an das Ergebnis der Bürgerbefragung zu halten haben. Das Ergebnis muss transparent sein.

          Finden Sie keine Lösung, darf Frau Steffens bestimmen, vorher aber nicht!

  7. gelöscht sagt:

    [Kommentar wegen falscher Tatsachenbehauptungen vom njuuz-Team gelöscht]

    1. gelöscht sagt:

      [Kommentar wegen unangemessener Wortwahl vom njuuz-Team gelöscht]

  8. gelöscht sagt:

    [Kommentar wegen unangemessener Wortwahl vom njuuz-Team gelöscht]

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