Statistik belegt:
Wuppertal ist der falsche Standort für eine Forensische Klinik

Die Befürworter einer forensischen Klinik in Wuppertal verweisen gerne darauf, dass die Kritiker nicht nach dem St.-Floriansprinzip argumentieren dürfen. Wie gerechtfertigt ist das im Fall Wuppertals? njuuz hat die Zahlen.
Mit Meinung von njuuz-Herausgeber Georg Sander.

Die „Belastung“ einer Stadt mit Einrichtungen des Justiz- und Maßregelvollzugs muss sicher in einem vertretbaren Verhältnis zur Zahl ihrer Einwohner stehen. njuuz hat recherchiert, wieviele Plätze in Justizvollzugsanstalten (JVA), Jugendarrestanstalten (JAA) und Einrichtungen des Maßregelvollzugs (MRV) in den NRW-Großstädten vorgehalten werden. Die verfügbaren Zahlen sind unter Umständen nicht immer auf dem allerneusten Stand, dennoch ist die Statistik aussagefähig:

Das Ergebnis: Mit 2,94 Haftplätzen je 1000 Einwohnern liegt Wuppertal schon heute auf dem vierten Rang. Die Nachbarstadt Remscheid belegt mit 5,08 Plätzen sogar Platz 2. Städte wie Bonn, Köln oder Düsseldorf stellen überhaupt keine oder deutlich weniger Unterbringungsplätze für Straftäter zur Verfügung. Einsamer Spitzenreiter mit 6,89 Plätzen ist Bielefeld, dort befinden sich zwei Gefängnisse, darunter Deutschlands größte JVA mit mehr als 1.600 Haftplätzen.

Damit ist klar: Wuppertal hat sich seiner Verantwortung für die Bereitstellung von Haft- und Betreuungsplätzen nie entzogen, sondern stellt im Gegenteil bereits heute überdurchschnittlich viele Plätze bereit. Sieht man das Thema regional und bezieht die JVA in der Bergischen Nachbarstadt Remscheid mit ein, wird diese Aussage noch gewichtiger. Dabei ist die möglicherweise bevorstehende Erhöhung der Zahl der Haftplätze in der JVA Vohwinkel noch gar nicht berücksichtigt.


Meinung von njuuz-Herausgeber Georg Sander

Fragwürdige Entscheidung

Im Licht dieser Zahlen ist die Entscheidung von NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens für eine Forensische Klinik in Wuppertal – gleich ob auf Lichtscheid oder auf der Kleinen Höhe – äußerst fragwürdig. Wuppertal wurde nur ausgewählt, weil es hier eine passende Immobilie gibt. Die Akzeptanz der Bevölkerung interessierte die Ministerin dabei ebenso wenig wie die gerechte Behandlung der NRW-Kommunen. Wie verantwortlich ein solches Handeln gerade für eine grüne Politikerin und eine rot-grüne Landesregierung ist, wird in der politischen Diskussion zu klären sein.

Gänzlich unverständlich bleibt, wieso die Verantwortlichen im Wuppertaler Rathaus so bereitwillig über das von Ministerin Steffens hingehaltene Stöckchen gesprungen sind und hastig einen alternativen Standort zur Polizeischule auf Lichtscheid vorgeschlagen haben. Viele in Wuppertal denken da inzwischen ähnlich wie jener prominente Barmer Einzelhändler, der unlängst mutmaßte, die politische Akzeptanz der Klinik für psychisch kranke Straftäter sei womöglich die Wuppertaler Gegenleistung für den Millionen-Geldsegen, den die Landesregierung im Rahmen des „Stärkungspaktes Stadtfinanzen“ über die Schwebebahnstadt ausschüttet.

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Kommentare

  1. Gerd Peters sagt:

    Könnte der Autor bitte die gleiche Grafik auch mal bezogen auf die Landgerichtsbezirke anfertigen? Und warum haben Siegen und Oberhausen 0,0 Plätze pro Einwohner, da gibt es doch auf jeden Fall eine JVA?!

    1. Die JVAs in Siegen und Oberhausen existieren nicht mehr. In Oberhausen gibt es in der ehemaligen JVA jetzt ein Therapiezentrum nach dem neuen Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) mit 18 Plätzen. Die JVA Siegen wurde 2011 aufgelöst.

  2. K.Bremer sagt:

    Wer das Thema mitverfolgt, versteht, dass die hier vorliegende Statistik nicht der einzige Grund dafür ist, dass diese beiden Standorte in Wuppertal nicht in Frage kommen können. Sie ist ein weiteres wichtiges Puzzleteil zu den vielen anderen Argumenten gegen diesen Standort!

  3. Niemand will eine forensische Klinik. Aber ebenso will niemand eine Giftmülllager, Mobil-Antennen, Überland-Stromleitung, Asylantenheime, Biergarten-Öffnungszeiten oder andere Aufreger.

    Das alles kann man schwer mit einander vergleichen, weil in der Bevölkerung Gerechtigkeit ein subjektives Gefühl ist.

  4. @Guido Gallenkamp:

    1. Imageprobleme
    2. Subjektiv empfundene oder objektiv vorhandene Gefährdung der Bevölkerung
    3. Erheblicher Wertverlust benachbarter Immobilien
    4. Der Platz, den die Klinik einnimmt, steht nicht mehr für andere Zwecke zur Verfügung, z.B. für Unternehmen (Verlust an hochwertigen Arbeitsplätzen, Steuerverlust etc.)
    5. Wuppertal wird unattraktiver für junge Familien
    6. Wettbewerbsnachteil gegenüber Städten, die all diese „Lasten“ nicht tragen müssen

    Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

    1. 6 und 1 sind in meinen Augen das selbe und ähnlich wie 2, 3 und 5: hausgemacht. Die „Auswirkung“ beruht auf Panik-und Stimmungsmache, nicht auf Fakten. Das ist vor allem ein Ergebnis von Zeitungsartikeln, die auf Verkaufszahlen ausgerichet sind. Den Schaden verursachen hier die Medien, nicht die forensische Klinik selbst.
      Und 4 trifft auf alles zu, was Fläche verbraucht, oder nicht? Und einen Verlust kann man erst verbuchen, wenn da vorher etwas war.

      Der Verlust der Immobilienwerte ist das einzige, was ich für mich persönlich gelten lassen würde. Wobei ich mich selbst damit schwer tue. Das Risiko hat man schließlich überall, wenn man etwas kauft.

  5. Menzel sagt:

    Keine Anwohner in irgendeiner Stadt würden eine Forensik befürworten.
    Das Argument hinkt gewaltig.

  6. R. D. sagt:

    Interessant ist auch, dass in der Heimatstadt (Mühlheim a d R) von der grünen Ministerin Steffens genau 0,00 Plätze vorhanden sind. Naja die denkt halt an Ihre Kinder.

  7. Ich mag mich irren, aber diese Argumentation passt nicht. Man kann nicht sagen, dass Berge für Schnee ungeeignet sind, nur weil da schon mehr Schnee als im Flachland liegt. Die Verteilung ist alles, was diese Zahl aussagt, nicht die Eignung. Eigentlich (!) ist daraus eher zu schließen, dass sich der Standort besser als andere eignet.

    1. Hallo Herr Gallenkamp,
      nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Schneefall ist höhere Gewalt, mit der man sich abfinden muss. Die Platzierung von JVA und Forensischen Kliniken sollte nach nachvollziehbaren Kriterien passieren. In Bonn, Oberhausen und Leverkusen gibt es Kriminalität genau wie in Wuppertal. Bei uns gibt es zwei JVA und demnächst wohl eine Forensische Klinik, in den genannten anderen Städten nicht.
      Viele Grüße
      Georg Sander

      1. Ich weiß ja, was Sie sagen wollen und damit haben Sie in meinen Augen vollkommen recht. Aber die Zahlen sagen dennoch nichts über eine Eignung des Standorts aus.

        1. Die Frage ist ja immer, nach welchen Kriterien die von Ihnen geforderte Eignung ermittelt wird. Ich finde, die faire „Lastenverteilung“ auf alle Städte und Regionen ist ein solches Kriterium. Andere mögen andere Kriterien für wichtiger halten.

          1. Menzel sagt:

            Wenn aber in Wuppertal eine geeignete Immobilie oder Standort vorhanden ist, ist das ein klares Argument gegenüber anderen Städten, auch wenn diese noch kein Gefängnis haben.

            Eine Forensik bedeutet auch Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und mehr….

          2. Lastenverteilung… Ich persönlich und bisher auch niemand aus meinem Bekanntenkreis sind durch die bestehende JVA irgendwie benachteiligt oder beeinflusst. Welche „Last“ meinen Sie damit?

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