Ein Leben auf neun Quadratmetern zwischen Esoterik und Punk

Galerie GRÖLLE pass:projects :: Friederike Ruff :: Charisma Camping :: Ende Samstag 01.09. 15.00Uhr

Ein Leben auf neun Quadratmetern zwischen Esoterik und Punk

Die Berliner Künstlerin Friederike Ruff arbeitet in Wuppertal auf kleinstem Raum

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Wuppertal (dapd-bln). Friederike Ruff hat ein Talent. Eines, das vielen Menschen fehlt: Sie kann über ihren Alltag staunen. Über die Blüten der Popkultur, den überzogenen Konsumwahn und die unbeständigen Schönheitsideale. Und weil sie ihre Umwelt als ein viel zu hektisches Ökosystem begreift, zieht sie sich in einen kleinstmöglichen Raum zurück, um kreativ zu sein: eine drei mal drei Meter kleine Box aus beweglichen Rigipswänden.

Diesen geschützten Ort fand sie in der Wuppertaler Galerie grölle:pass:projects. Hier arbeitet die Berliner Künstlerin seit zwei Monaten unter Hochdruck an neuen Bildern und Collagen. Die Besucher können ihr zuschauen, ihren Alltag und ihr Arbeiten beobachten. “Es ist etwas merkwürdig, wenn ich aus der Box heraustrete, denn dann stehe ich genauso im Fokus wie meine Bilder”, erzählt die 32-Jährige. Der enge Lebensraum, der ihr derzeit als Refugium dient, ist ein Teil der Ausstellung “Charisma Camping”.

“Der Name passt perfekt zu dieser skurrilen Mischung, die Friederike hier zeigt, irgendwo zwischen Esoterik, Punk und Detailverliebtheit”, erklärt der Galerist Jürgen Grölle. Zusammen mit der Künstlerin erarbeitete er das Konzept zu ihrem ‘Artist in Residence’-Projekt. Der Begriff, der vor allem durch die Theaterszene geprägt wurde, beschreibt einen kreativen Austausch zwischen einzelnen Institutionen. Mit Hilfe von Stipendien bekommen Künstler die Möglichkeit, ihre Talente für einen begrenzten Zeitraum an Universitäten, Theatern und Galerien zur Schau zu stellen.

Kreatives Arbeiten mit Blick auf die Schwebebahn

Ruff berichtet: “Vor zwei Jahren besuchte Jürgen mich in Berlin, mein Atelier war kaum größer als die Box und genauso bunt und unordentlich.” Der Galerist sei von dem kreativen Chaos so angetan gewesen, dass er vorschlug, eine Ausstellung rund um das Thema Arbeitsraum zu realisieren.

So zog Friederike Ruff im Juni in die neun Quadratmeter kleine Box mit Blick auf die Schwebebahn und begann zu arbeiten, “so produktiv wie nie zuvor”, wie sie sagt. Ein wichtiges Thema ihrer Gemälde und Collagen sind Alltagsgegenstände, die, in neuen Kontext gesetzt, zweckentfremdet oder surreal dargestellt werden. Da fährt ein Spielzeugdinosaurier auf einem Plattenspieler im Kreis und Malibu-Stacy-Puppen trinken Tee mit Robotern. Ein Kartenspiel erzählt die Geschichte von Alice im Wunderland und kopflose Bräute laufen über die Leinwand. “Mir gefallen besonders die kleinen Anspielungen auf Bücher und Filme, die man überall entdecken kann”, sagt Besucherin Stefanie Spichalla aus Wuppertal.

Friederike Ruffs Lebenslauf zeigt, dass sie zielstrebig ist: Aufgewachsen auf der schwäbischen Alb studierte sie Kunst und Gestaltung, zog dann nach Berlin und arbeitet heute rund um die Uhr an Ausstellungen, Projekten und ihren vielen kleinen Ideen.

Künstlerin bloggt in der Box

Während ihres ‘Artist in residence’-Projektes lernte sie auch die Teilnehmer der Kunstkurse kennen, die Galerist Grölle in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und Proviel, einer Behindertenwerkstatt, ausrichtet. In den Räumen der Galerie in Wuppertal treffen sich einmal wöchentlich Menschen mit Behinderungen und sozial auffällige Jugendliche, deren Selbstbewusstsein durch die kreative Arbeit gestärkt werden soll. “Mich hat es beeindruckt, wie viel offener und ehrlicher die Kursteilnehmer waren, als die regulären Besucher. Da traut sich niemand in die Box und alle Bilder werden gelobt”, berichtet Ruff.

Seit dem Einzug führt die 32-Jährige einen Blog, in dem sie täglich Fotos und Impressionen aus ihrer ‘Artist in residence’-Zeit veröffentlicht. Sie habe die Publikation im Internet immer unterschätzt, erzählt sie. “Ich dachte immer: ‘Ich bin Künstlerin, was soll ich da Fotos ins Netz stellen’, aber das war eine komplette Fehleinschätzung!” Durch die Vernetzung des Blogs mit ihrem Facebook-Profil hätten mehrere hundert Menschen täglich ihre Bilder gesehen.

Dennoch sind solche Auftritte in der Öffentlichkeit nicht das, was sich Friederike Ruff wünscht: Sie möchte sich in aller Ruhe wundern, über die Kleinigkeiten des Alltags, die andere Menschen einfach übersehen. Über Rabattmarken, ausgestopfte Tiere und Spielzeugdinosaurier, die sich auf einem Plattenspieler immerzu im Kreis drehen.

WELT ONLINE  08.2012
http://www.groelle.de/current/friederike-ruff/reviews/?preview=true&preview_id=1901&preview_nonce=45805ec8ca

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