Junge Migranten werden zu Heroes

Das Berufskolleg Werther Brücke holt das Integrationsprojekt Heroes ins Tal.

Das Projekt Heroes wendet sich an jugendliche Migranten

Nach Berlin, Augsburg, Köln und Duisburg kommt das Integrationsprojekt Heroes auch nach Wuppertal. Das Projekt gegen Unterdrückung im Namen der Ehre wendet sich an 25 jugendliche Männer zwischen 16 und 23 Jahren mit vorwiegend muslimischem Hintergrund. 15 Schüler des Berufskollegs und zehn strafgefangene Jugendliche der JVA Ronsdorf, die mit dem Kolleg kooperiert, werden zu Heroes ausgebildet. Rollenspiele und Diskussionen sollen dabei helfen, sich kritisch mit einem überzogenen Ehrbegriff auseinanderzusetzen.

„Wir wollen uns aktiv an der Integrationsdebatte beteiligen und zeigen, dass nicht alle Migranten aggressiv oder böse sind“, erklärt Schulpfarrerin Petra Wassill, die das Projekt für das Berufskolleg Werther Brücke beantragt hat. „Gerade nach den Vorkommnissen der Kölner Silversternacht war uns das ein wichtiges Anliegen.“

Für die Schule ist das Thema durchaus relevant: 40 Prozent der Schüler am Berufskolleg Werther Brücke haben einen Migrationshintergrund. Dabei ist die Schule sehr männerdominiert: Nur rund fünf Prozent der Schüler an dem technischen Berufskolleg sind weiblich.

„Einige der Schüler haben bei den Themen Ehre, Gleichberechtigung und Autorität eine ganz andere Meinung als wir“, sagt Schulleiter Matthias Flötotto. Seine Kollegen und er beobachten, dass einige junge Männer, die in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben „radikal in ihren tradierten Ansichten sind“.

Genau an dieser Stelle setzt das Projekt Heroes an: Es richtet sich an junge Männer mit muslimischen Hintergrund.  Diese leben zwischen den Traditionen, Werten und überlieferten Rollenmuster ihrer Eltern und den Anforderungen der deutschen Gesellschaft. Häufig fällt es ihnen schwer, ohne Aggressionen auf Ausgrenzung oder Arbeitslosigkeit zu reagieren.

Auch die überlieferten Rollenbilder sind problematisch: Jungen sind stark und mutig, Mädchen keusch und gehorsam. Darunter leider nicht nur die Mädchen, auch die Jungen stehen unter großem Druck. „Viele junge Männer haben Angst davor, ihre Identität als Türke aufzugeben und verhalten sich daher in Abgrenzung zu den deutschen Werten radikal“, so Wassill.

Im Schulalltag kommt es dadurch häufig zu schwierigen Situationen: „Bei Elterngesprächen tauchen die Väter manchmal als regelrechte Paschas auf“, schildert Schulleiter Flötotto. „Da passiert es durchaus, dass einem männlichen Lehrer zur Begrüßung die Hand gegeben wird. Bei den Lehrerinnen weigert man sich aber, das Gleiche zu tun.“

Schulpfarrerin Petra Wassill und ihre Kolleginnen am Berufskolleg haben außerdem die Erfahrung gemacht, dass viele Jugendliche mit Migrationshintergrund, die aus anderen Kulturkreisen kommen, partout nicht von Frauen unterrichten werden wollen. „Ich bin einmal von einem Schüler ganz selbstverständlich gefragt worden, ob ich von meinem Mann Zuhause auch regelmäßig Respekt-Schellen bekomme“, schildert Petra Wassill eine persönliche Erfahrung aus dem Unterricht.

„Die familiäre Realität sieht bei den Jugendlichen ganz anders aus als bei uns.“ „Es geht bei dem Projekt nicht darum, die jungen Leute umzukrempeln oder zu missionieren. Wir wollen sie zum Nachdenken bringen und ihnen die Frage stellen, ob es wirklich gut so ist, wie es bei ihnen läuft“, erklärt Wassill das Anliegen von Heroes.

Die Reaktion der Jugendlichen, die auf das Projekt angesprochen wurden, war dabei durchweg positiv: „Ich glaube, dass unsere Jungs mit Migrationshintergrund eine tiefe Sehnsucht nach Anerkennung haben. Darum sind sie stolz, wenn sie bei so einem Projekt mitmachen zu können und vielleicht irgendwann einmal als Held gesehen werden, wenn sie sich aktiv an der Integration beteiligen.“

Viel gewonnen ist aus ihrer Sicht, „wenn der Blick für die Gleichberechtigung zwischen Männer und Frauen geweitet wird und eingefahrene Denkmuster in Frage gestellt werden“. Außerdem wünscht sie sich, dass „die Jungs lernen, dass man für seine Ehre nicht mit Gewalt kämpfen muss, sondern dass man ehrenhaftes Verhalten zum Beispiel auch über soziales Engagement hinbekommt“.

Im Januar findet eine zweite Schulung der Teilnehmer statt. Im Anschluss gibt es  einmal im Monat ein Gesprächsnachmittag zu relevanten Themen. Gefördert wird das vom BKWB initiierte Integrationsprojekt durch Mittel der evangelischen Kirche im Rheinland.  

foto: berufskolleg werther brücke
text: nikola dünow-ör

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